Lerchl, Andreas
Thema: Zivilcourage
M1: PNP, 11.06.2010, Nr. 132, S. 18
Zivilcourage hat einen Namen: Andreas Lerchl
Polizei ehrt Andreas Lerchl aus Hutthurm und stellt Konzept vor, wie in Notfällen richtig agiert wird - Kurse laufen an
Von Carmen A. Laux
Passau/ Hutthurm. Andreas Lerchl ist das beste Beispiel für Zivilcourage: Der Hutthurmer hat durch sein beherztes Eingreifen mitgeholfen, einen Handtaschenräuber zu stellen. „Es freut mich, dass wir an seinem Beispiel unser neues Konzept ,Zivilcourage’ vorstellen können“, sagte Polizeidirektor Manfred Gigler bei der Ehrung des 32-Jährigen gestern in der Polizeiinspektion Passau.
Dem Hutthurmer war es fast peinlich, als ihm der Leiter der Polizeiinspektion das Dankschreiben des Polizeipräsidenten Josef Rückl und 150 Euro als kleine Anerkennung überreichte. „Am liebsten wäre ich gar nicht gekommen. Dass ich geholfen habe, war doch selbstverständlich. Das hätte jeder getan“, so der Geehrte verlegen. Eben nicht, wie die Beamten aus ihrer täglichen Arbeit wissen.
Was war passiert? Am Sonntag, 10. April, gegen 17.30 Uhr, entrissen zwei Männer einer 62-Jährigen in der Passauer Altstadt die Handtasche und rannten davon. Andreas Lerchl, der auf dem Weg zum Taekwondo-Training war, hörte Hilferufe, sah zwei Männer flüchten - und nahm die Verfolgung auf. Dabei traf er auf zwei Fremde - einen 45-jährigen Urlauber aus Dortmund und einen 57-jährigen Kripobeamten aus Düsseldorf - die ebenfalls auf die Hilferufe reagiert hatten. Während der Dortmunder die 110 wählte, setzten Andreas Lerchl und der Düsseldorfer die Verfolgung fort. Einen der Täter, einen 16-jährigen Passauer, stellte Andreas Lerchl hinter einem geparkten Auto, hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest. Der andere konnte entkommen.
„Ihr seid wirklich verdammt schnell gewesen“, gab der Hutthurmer gestern das Lob zurück an die Polizei. Vier Minuten nachdem der Notruf in der Zentrale in Straubing angekommen war, war die erste Streife aus Passau vor Ort. Die Beamten übernahmen den Täter, gaben der aufgelösten, aber nicht verletzten Wienerin, um die sich derweil die Ehefrau des Düsseldorfers gekümmert hatte, die Handtasche zurück, die ein weiterer Passant hinter einem Auto entdeckt hatte. Dann wurden alle Beteiligten zur Inspektion gebracht, wo auch die Kollegen des Kiminaldauerdienstes, einer 24-Stunden-Bereitschaft, schon auf sie warteten.
Wie’s weiterging? Andreas Lerchl, dem das Aufheben um seine Person sichtlich unangenehm war - noch dazu, wo sich der Dortmunder und der Düsseldorfer nicht persönlich den Dank aus Passau abholten - machte es kurz: „Der Rest ist Geschichte.“ Will heißen: Die Zeugen konnten nach ihren Aussagen die Polizeiinspektion gegen 19 Uhr wieder verlassen. „Das lief alles perfekt, auch polizeiintern“, so der Eindruck des Hutthurmers, der in der Zwischenzeit für seine Taekwondo-Schüler auch noch einen Ersatz-Trainer organisiert hatte.
Und auch aus polizeilicher Sicht lief die Aufklärung des Falles lehrbuchmäßig: Der gefasste Täter legte ein Geständnis ab, gab zudem den Namen des 15-jährigen Mittäters preis. Und im Zuge der Ermittlungen konnten weitere Handtaschendiebstähle aufgeklärt werden und andere Delikte, für die sich das Duo beziehungsweise der 15-Jährige demnächst wohl vor dem Jugendrichter verantworten muss.
„Wir können gut ermitteln, sind dabei aber meist auf die Mithilfe der Bürger angewiesen“, betont der Polizeidirektor. Und weiter: „Ohne Andreas Lerchl und die anderen Männer hätten wir in dem Fall beispielsweise keine Täterbeschreibung gehabt.“ Denn das 62-jährige Opfer sei so traumatisiert gewesen von dem Vorfall, dass es nicht habe sagen können, ob es ein oder mehrere Täter waren, ob sie jung oder alt, dick oder dünn, groß oder klein, kurz- oder langhaarig waren.
Dass es mehr Menschen wie Andreas Lerchl gibt, daran ist auch das Polizeipräsidium Niederbayern interessiert. Es hat ein „Konzept zur Stärkung der Zivilcourage“ erstellt, das die Dienststellen umsetzen sollen. Dementsprechend bietet die Inspektion Passau dreistündige Kurse an, in denen über das richtige Verhalten bei körperlichen Übergriffen informiert wird, über rechtliche Aspekte und opfertypische Verhaltensweisen. Außerdem gibt es praktische Übungsbeispiele, in denen man auch lernt, wie man helfen kann, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Geleitet werden die Kurse von erfahrenen Polizeibeamten. Interessierte Gruppen oder Einzelpersonen sollen sich bei der Inspektion in Passau melden unter Tel. 0851/ 95 11 440. „Busfahrer haben schon angefragt und Ämter“, sagen die Oberkommissare Hermann Hundsrucker und Martin Pöhls, die als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Außerdem liegen ab sofort Flyer bei den Dienststellen aus.
M2: Didaktische Impulse
1. Versetzt euch in die Lage von Andreas Lerchl. Wie hättet ihr an seiner Stelle reagiert? Diskutiert in der Klasse!
2. Verfasst einen Dankesbrief an Andreas Lerchl!
3. Schreibt einen Polizeibericht! Es ist darauf zu achten, dass nicht die Effekte dominieren, sondern dass durch die Verfremdungstechnik auch zentrale inhaltliche Aussagen profiliert herausgeschält werden.
Beispiel:
Mutiger Mann schlägt Räuber in die Flucht
Tatort: Passauer Altstadt
Uhrzeit: 17.30 Uhr
Datum: Sonntag, 10.April 2010
Täter: ...
Opfer: ...
Bericht: ...
usw.
4. Beschreibt Andreas Lerchl mit geeigneten Adjektiven! Sammelt die Antworten an der Tafel und begründet diese!