Lehman, Sabine
Thema: Entwicklungszusammenarbeit, Eigeninitiative, Ehrenamt
M1: Sabine Lehman und 7500 Kinder im Religionsunterricht
Sabine Lehman und 7500 Kinder im Religionsunterricht
Sabine Lehman arbeitet als Schulsekretärin im Norden Berlins. Gleichzeitig leitet sie auf einem anderen Erdteil eine Schule. Wie geht das?
Der erste Auslöser war die Liebe. 1985 hatte Frau Lehman einen Mann kennen- und lieben gelernt, der ihr seine Heimat zeigen wollte - Indonesien. Begeistert nahm sie die fremde Kultur wahr und lebte sich in fremde Sitten ein. Da sie in einen neuen Familien- und Freundeskreis vorstieß, bewegte sie sich bald jenseits der touristischen Routen und lernte Indonesien auch von seinen schwierigeren Seiten kennen. Armut, Korruption, Gewalt. Es ging ihr nahe, unter welchen Bedingungen Kinder in den Slums leben müssen.
Als besonders bedrückend empfand sie es, wie bescheiden ihre Aussichten auf ein sicheres und friedliches Leben sind. Und um wieviel geringer diese Chancen für ein behindertes Kind stehen, dem die Nachbarn statt Hilfe und Unterstützung eher Angst und Argwohn entgegenbringen.
Bei einem Besuch in einem Heim traf ihr Blick den eines behinderten Kindes, das offenbar wusste, wie es um seine Zukunft bestellt sein wird. Manchmal reicht so ein Blick, um etwas in Gang zu setzen. Hier war dieser Blick der zweite Auslöser für ihren verwegenen Plan. Frau Lehman schwor sich in diesem Heim, dass sie eines Tages eine Schule gründen würde, um wenigstens einigen dieser Kinder die Grundlage für ein menschenwürdiges Auskommen zu sichern. Denn sie war sich sicher, dass nur Bildung hier zu Veränderung führen kann.
Nach ihrer Rückkehr aus Indonesien begann Frau Lehman, beharrlich an der Verwirklichung ihres Schwurs zu arbeiten. Fünfzehn Jahre lang sammelte sie Geld für ihr Projekt auf Sommerfesten, Weihnachtsmärkten und allen Plätzen, auf denen man als Privatperson um Spenden bitten kann. 2006 war es dann soweit und die Schule in Djakarta konnte für eine erste Klasse die Pforten öffnen. Zu Anfang war es nicht leicht, die Eltern zu diesem Schulangebot zu überreden – schließlich ging den Familien damit eine Arbeitskraft im täglichen Überlebenskampf verloren. Aber bald waren zehn Kinder gewonnen. Und weil das nicht reichen sollte, fand sich im Folgejahr ein Unterstützer. Der Berliner Religionsunterricht hatte damals in einem neu entwickelten Rahmenplan die Zielsetzung, jährlich mit jeder Schulklasse ein diakonisches Projekt durchzuführen. Einer der Bezirke Berlins entschied sich 2007 zu etwas anderem: Statt vieler kleiner Aktionen könnte man doch auch eine große Kampagne durchführen! Im Bezirk Reinickendorf gab es damals ungefähr 7500 Kinder, die den evangelischen Religionsunterricht in der Grundschule besuchten – wenn jedes dieser Kinder einen Euro erwirtschaftet, dann wären das 7500 Euro für Frau Lehmans Schule. Gesagt, getan – seitdem muss Frau Lehman die Finanzierungslast nicht mehr allein tragen. Die Begeisterung der Schüler*innen, für ihre Altersgenossen in 13 500 Kilometern Entfernung ernsthaft sorgen zu können, ließ die Phantasie sprießen und die Kräfte wachsen. Die Schüler*innen organisierten Flohmärkte, verkauften Kuchen, boten ihren Eltern Gutscheine für Hilfe im Haushalt an. So kam es, dass jedes Jahr mehr Geld zusammengetragen wurde, im Jahr 2017 nähert man sich der 100.000 Euro - Marke. Wofür wird dieses Geld genutzt? Die Schule hat inzwischen sieben Klassen. Und Frau Lehman trägt dafür Sorge, dass ihre Schüler*innen, behindert oder nichtbehindert, christlich oder muslimisch, jeden Tag eine warme Mahlzeit erhalten, mit allem Schulmaterial ausgestattet werden, eine Schuluniform tragen (in Indonesien Pflicht) und von ausgebildeten Lehrerinnen in Schreiben und Lesen, Mathe, Englisch, Kunst, Sport und allem, was zu einer ganz normalen Schule gehört, unterrichtet werden. Alle Absolventen der Schule haben bisher einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gefunden - der erste Schritt in eine Zukunft jenseits des Slums ist getan.
M2: Didaktische Impulse
Mögliche Aufgaben:
- Informiere dich im Internet unter www.hsc-schule.de über die Schule, die Frau Lehman gegründet hat.
- Vergleiche anhand einer selbst entwickelten Liste deinen Alltag mit dem der Kinder in Djakarta.
- Finde heraus, wieviel Teilnehmer im Religionsunterricht es an deiner Schule gibt. Wenn jeder von euch einen Euro erwirtschaften würde – welches Projekt würdet ihr für unterstützenswert halten?