Lebensretter_Medaille
Thema: Hilfsbereitschaft, Lebensretter
M1: PNP, 18.06.2013, Nr. 138
"Es gibt immer Zeit zum Helfen"
Seehofer ehrt Lebensretter mit Rettungs- und Christophorus-Medaillen − 113 Bayern erhalten morgen Auszeichnung in der Münchner Residenz
von Miriam Eckert
Altötting/Straubing. "Wenn man helfen kann, wird nicht spekuliert, sondern geschaut, was man tun kann", sagt Josef Schwankl sen. (66) aus Schöfweg (Lkr. Freyung-Grafenau). Als sein Nachbar mit dem Traktor die Böschung herabstürzte und unter dem rund zwei Tonnen schweren Gefährt begraben war, holte Schwankl mit seinem Sohn Josef Schwankl jun. (26) die Handwinde. Mit Hilfe des überdimensionalen Wagenhebers gelang es den beiden, die eingeklemmten Beine des schwerverletzten 44-jähriges Mannes zu befreien. "Das Wichtigste ist, dass er jetzt wieder gesund ist", meint Schwankl. "Es gibt immer Zeit zum Helfen und ich hoffe, dass es jeder tut." Für ihren beherzten und schnellen Einsatz wird Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) Josef Schwankl sen. und jun. die bayerische Rettungsmedaille überreichen.
82 Lebensretter aus ganz Bayern werden morgen im Antiquarium der Münchner Residenz mit dieser Auszeichnung geehrt. 51 weitere Helden erhalten die Christophorus-Medaille. Einige Lebensretter kommen auch aus Ostbayern: 17 wird die bayerische Rettungsmedaille und neun die Christophorus-Medaille verliehen.
Auch Andrea Wittmann (48) aus Irlbach bei Straubing ist eine Heldin. Sie rettete einen Elektriker, der mit einer Starkstromleitung in Berührung gekommen war, mit Herzdruckmassage und Beatmung. "Als ich laute Schreie vom Nachbargrundstück hörte, bin ich hingerannt. Man hat den Strom noch brutzeln gehört und es hat stark nach Verbrennungen gerochen", erinnert sich Wittmann, die glücklicherweise sechs Wochen zuvor einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht hatte. Ohne Nachzudenken versuchte sie den leblosen Mann wiederzubeleben. Schlimm seien die Wochen nach dem Unfall gewesen, als der Mann noch im Koma lag. "Ich habe immer darüber nachdenken müssen, ob meine Hilfe genügt hat oder was man besser hätte tun sollen. Erst als der Mann aufgewacht ist, überkam mich nach dem Schock eine riesige Erleichterung", erzählt Wittmann.
Andere Lebensretter sprangen Verunglückten in die Donau nach, wie der Polizeihauptkommissar Andreas Stockinger in Vilshofen (Lkr. Passau), der im März 2012 einen 55-Jährigen trotz der starken Strömung rettete. Josef Gottinger, ebenfalls Polizeihauptkommissar, schaffte es gemeinsam mit Dietmar Döhnel, Michael Donaubauer und Georg Windpassinger einen 69-jährigen Fahrer aus seinem brennenden Lkw durch die Dachluke zu befreien und den Brand zu löschen. Das Fahrzeug war im November 2011 im Landkreis Passau gegen einen Wasserdurchlauf geprallt und umgekippt.
Zusammen, obwohl sie sich nicht kannten, halfen Georg Holzleitner, Florian Wiese, Rupert Schlappinger und Andreas Rohrmeier bei einem Unfall auf der B 12 in Richtung Arnstorf (Lkr. Rottal-Inn). Nach einem Frontalzusammenstoß befreiten sie zwei Männer aus einem Auto, aber der dritte Mann war in einen brennenden Wagen eingeklemmt. Verzweifelt versuchten die Retter aus Straubing und dem Landkreis Dingolfing-Landau das Feuer zu löschen − was ihnen mit leichten eigenen Verletzungen, auch gelang.
An diesem Geländer der Fußgängerbrücke, die zur Berufsschule Altötting führt, hielten im Februar 2012 die Schüler Stefan Stadler (18, r.) und Lukas Rottenaicher (20, l.) eine Frau davon ab, Suizid zu begehen. Sekretariats-Mitarbeiter Johannes Jahn half ihnen.
Einen tragischen Unfall mit einem brennenden Auto erlebte auch Reinhold Reisinger. Er konnte eine 37-jährige Frau bei Thyrnau (Lkr. Passau) noch aus den Flammen zerren, doch beim Löschen ihrer Kleidung bemerkte er, dass er das Leben der Frau nicht mehr retten konnte. Sie war noch an der Unfallstelle verstorben.
Die mit der Rettungsmedaille Ausgezeichneten leisteten unter Einsatz des eigenes Lebens Hilfe: trotz eigenen schweren Parkinson-Leidens half Johann Altdorfer (59) aus Jandelsbrunn (Lkr. Freyung-Grafenau) einem 38-Jährigen, der beim Montieren einer Solaranlage einen Stromschlag mit Brandverletzungen, Atem- und Herzstillstand erlitt. Ebenfalls unter Lebensgefahr brachte Annette Hausburg (47) eine 90-jährige Frau aus einem mit schwarzen Rauch verqualmten Haus in Landshut in Sicherheit.
Aus dem Landkreis Traunstein wird die Rettungsmedaille an Theresa Drexler und Albert Mook überreicht. Drexler sorgte in einer dramatischen Rettungsaktion dafür, dass zwei Schülerinnen, die im Februar 2012 mitten auf dem Waginger See eingebrochen waren, nicht ertranken. Im gleichen Monat zog Albert Mook einen Mann und seinen Hund aus dem Inn. Der Rentner war zuvor beim Versuch, seinen Hund zu retten, in das Eis des Innkanals eingebrochen und klammerte sich nur noch an einer Eisscholle fest.
Die Christophorus-Medaille, eine öffentliche Belobigung für eine Rettungstat unter besonders schwierigen Umständen, bekommen am Mittwoch die 18- und 20-jährigen Berufsschüler aus Kirchweidach (Lkr. Altötting) überreicht. Mit viel Zivilcourage verhinderten Stefan Stadler und Lukas Rottenaicher, dass eine Frau auf die stark befahrene Bundesstraße 12 springen konnte. Die beiden Burschen waren morgens auf dem Weg zur Schule in Altötting, als sie die 30-Jährige am Geländer der Fußgängerbrücke sahen. "Wir sind gleich hingerannt und mussten sie zu zweit festhalten, weil sie sich so gewehrt hat", erinnert sich Stefan Stadler. "Unten auf der Straße haben schon die Autos gehupt und es war nicht leicht, die Frau vom Geländer runterzuziehen." Weil die beiden Schüler Angst hatten, dass die Frau später wieder springen könnte, redeten sie behutsam auf sie ein und nahmen sie mit in die Schule, wo dann Hilfe geholt wurde. Nicht auszudenken, wenn die Frau gesprungen wäre und ein zufällig vorbeikommender Autofahrer sie überrollt hätte − dieser Gedanke beschäftigt Stadler noch heute. Ihm selbst war noch Monate nach dem Vorfall mulmig, wenn er über die Brücke ging.
Weitere Christophorus-Medaillen erhalten Rudolf Westermeier aus Polling (Lkr. Mühldorf am Inn), der mit bloßen Händen ein Mädchen aus einem Maisberg einer Trocknungsanlage ausgrub, und Klemens Eberl aus Winhöring (Lkr. Altötting). Im Oktober 2011 zog er einen Mann aus dem Isenkanal, der sich im Wasser an einem Gitter festgeklammert hatte. Auch Franz-Xaver Bauer und Thomas Gruber aus Landshut sprangen im Juni 2012 einem Mann und einer Frau, die betrunken in die Isar gefallen waren, hinterher und zogen sie aus dem Wasser.
Im Landkreis Rottal-Inn werden Erich Pinzl, Alois Winkler und Helmut Zeiler für ihren selbstlosen Einsatz geehrt. Sie retteten einen 81-jährigen Mann aus einem Bach in Simbach, in den er mit dem Auto geschlittert war. Er drohte mit dem Kopf unter Wasser zu geraten und konnte sich aus eigener Kraft nicht befreien. Zeiler schlug die Autoscheibe ein, befreite den Mann und zog ihn gemeinsam mit Pinzl und Winkler aus dem Wagen.