Kribitzneck, Georg
Thema: Glaubenszeugnis
M1: PNP, 09.08.2010, Nr. 182, S. 12
Für die kleine Nina hielt er alle Strapazen aus
Georg Kribitzneck pilgerte zu Fuß nach Rom - Ein herzkrankes Mädchen war sein Antrieb - „Gott war mir stets sehr nahe“
Von Caroline Holzschuher
Neukirchen vorm Wald/ Rom. Ein kleines krankes Mädchen und Dankbarkeit trieben ihn an: Georg Kribitzneck (46) pilgerte zu Fuß in 28 Tagen über 1000 Kilometer weit von Neukirchen vorm Wald (Lkr. Passau) zum Vatikan. Ohne ein Wort Italienisch, mit einem Rosenkranz um den Hals erreichte er sein Ziel: „Es war keine Tupperparty - aber eine wichtige Erfahrung.“
„Ich wollte schon lange nach Rom, um Gott für mein Leben zu danken“, erzählt Georg Kribitz-neck, ein leidenschaftlicher Wallfahrer, wenige Tage nach seiner Reise in der heimischen Pfarrkirche sitzend. „Sobald ich schuldenfrei bin, wollte ich los. Aber als in der Zahnradfabrik die Kurzarbeit begann, wurde der Wunsch immer stärker.“ Ende letzten Jahres hielt der Lackierer es nicht mehr aus: Er begann zu planen und beantragte seinen Jahresurlaub für das Unterfangen im Juli. „Doch den wahren Sinn dahinter erhielt das alles erst kurz davor: Ich erfuhr von Nina.“
„Wir sind ihm sehr dankbar“
Nina - sie ist die schwer herzkranke, zweijährige Tochter von Thomas Heindl, einem Arbeitskollegen aus der Zahnradfabrik. Dort war Kribitznecks Plan das Thema. Im Juni ging Heindl mit einem besonderen Wunsch auf den Pilger zu. „Ich bat ihn, die Taufkette und den Rosenkranz meiner Nina nach Rom mitzunehmen und segnen zu lassen“, erzählt der 33-Jährige. „Georg hat vor Rührung geweint und sofort versprochen, die Ketten mitzunehmen.“ Darüber hinaus wollte er auch Segenswünsche für die Familie sammeln.
„Es ist kaum zu glauben, wie selbstlos er das gemacht hat“, ergänzt Bettina Heindl. Oft hat sie an den Neukirchner gedacht, besonders als im Juli die große Hitze herrschte. „Wir sind ihm sehr dankbar. Dankbar, dass er das für Nina gemacht hat.“ Ein Bild der kleinen Kämpferin, eingeklebt in ein rotes Büchlein, begleitete den Pilger. Ohne sie wäre Georg Kribitzneck vielleicht nie in Rom angekommen.
Mit dem genehmigten Jahresurlaub hatte er 40 Tage Zeit für die Strecke Neukirchen-Rom. Bei Google-Maps plante er seine Route, im Internet kaufte er einen Fahrradanhänger für sein Gepäck und baute sich sein Pilgerkreuz. Und da er jedes Jahr nach Altötting pilgert, hat er auch die Schwarze Madonna am Fuße der Kreuze montiert. „Ich habe auch einen Pilgerbrief bei der Diözese Passau beantragt, um in den Pfarreien übernachten zu können“, erzählt er weiter. Das Schriftdokument belegt, dass Kribitzneck als Christ nach Rom wandert und bittet gleichzeitig um Gastfreundschaft für den Pilger. „Und nicht zu vergessen: mein Versprechen in Maria Hilf.“ Kein Alkohol, keinen Kilometer fahren, heißt es da. „Das Wichtigste war jedoch, dass meine Frau mir ihren Segen gegeben hat“, so der 46-Jährige. „Ihr gefiel der Gedanke nicht, doch sie ließ mich ziehen.“ So brach er auf: Am Donnerstag, 1. Juli, zum Angulus-Läuten um sechs Uhr. Weit kam er jedoch nicht: „In Siebenberg, kurz hinter Neukirchen, stellte ich es fest: Ich hatte meine Karte vergessen“, lacht er. Seine Frau brachte sie ihm.
Er schaffte 50 Kilometer am Tag
Ab dann galt für ihn „Strecke machen, Strecke machen“. Statt der geplanten 25 Kilometer am Tag schaffte er so durchschnittlich rund 50. Zu Fuß und mit einem 60 Kilo schweren Anhänger für Schlafsack und Kleidung bezwang er am siebten Tag sogar den Großglockner (3798 Meter). Aufstieg und Abstieg waren eine körperliche Höchstleistung. Denn: „Beim Umbau des Fahrradwagens zu einem Handwagen habe ich an alles gedacht, nur an die Bremse nicht. „Sie glauben gar nicht, wie sehr ich das bereut habe. Fünf Stunden bergab ohne Bremse.“ Doch den Rosenkranz betend schaffte er es. „Gott war mir stets sehr nahe“, sagt Kribitzneck. „Ich weiß es, denn ich bekam immer wieder Hilfe.“ So auch auf dem Weg von Bad Reichenhall nach Berchtesgaden - einer sehr hügeligen Strecke. „Bei einem besonders steilen Stück begegnete mir ein Radfahrer: Er zog mit mir meinen Wagen nach oben. Wie ein Engel.“
Trotz der Hilfen gab es auch für Kribitzneck Tiefpunkte: Platte Reifen, Routen entlang von stark befahrenen Bundesstraßen, Orientierungslosigkeit - zwei Wochen nach Beginn der Reise hatte Georg Kribitzneck zwar immer noch keine Blase am Fuß, aber er war am Ende. „Nach Mestre bei Venedig überlegte ich, das Unterfangen abzubrechen“, berichtet er. „Dann aber dachte ich an das kleine Mädchen. Ich hatte es Nina und ihrer Familie versprochen.“ Er gönnte sich eine zweitägige Erholungspause auf einem Campingplatz, dann pilgerte er weiter in Richtung Rom.
Ein Bad und einen Schlafplatz - mehr brauchte er abends übrigens nicht. „Am Anfang schlief ich stets neben dem Bett, das belustigte die Leute“, erinnert sich der Niederbayer. Doch das war kein Akt der Buße. „Mein Rücken litt unter der Last und auf hartem Grund kann sich die Wirbelsäule besser erholen.“ Während er so in Deutschland und Österreich die Wahl zwischen Boden und Bett hatte, blieb ihm diese in Italien meist nicht. „Das Problem war: In Italien besitzen die Pfarrer kein Haus, sondern Mietswohnungen.“ Somit half der Pilgerbrief aus der Diözese Passau nicht, in dem um Gastfreundschaft für Kribitzneck gebeten wird: Der Platz fehlte einfach. Einige Gemeinde suchten nach Alternativen. „Einmal schlief ich in einem Kloster, das andere mal in einem sehr ungemütlichen Gruppenraum“, insgesamt eher eine durchwachsene Bilanz. Die interessanteste Erfahrung machte er jedoch in der Küstenstadt Ravenna - dort wurde er in ein Obdachlosenheim der Kirche einquartiert. „Manchmal fand sich auch nichts, dann legte ich mich in die Wiese.“ Schlafsack raus und morgens zwischen fünf und sechs Uhr weiter. „In dem Moment habe ich mein Zelt vermisst“, gesteht er. Dieses hatte er neben ein paar anderen Dingen nach dem ersten Tag in Hartkirchen nahe Pocking, rund 40 Kilometer südlich von Neukirchen vorm Wald gelassen - zur Gewichtsminimierung. Vielleicht ein Fehler. „Aber es war warm und mit dem Schlafsack auch trocken. Nur das Zirpen - ich bin schier verrückt geworden.“
„Meine Tochter weinte vor Freude"
Und in der letzten Juliwoche hatte er es geschafft: Er war auf dem Petersplatz in Rom. „Es war interessant, ein asiatischer Priester zeigte mir auch Räume, die normale Touristen nicht sehen“, erzählt er und seine dunklen Augen leuchten. Nach der Führung erhielt er das „Testimonium“, das offizielle Wallfahrtszertifikat in lateinischer Sprache, und den Segen für die Ketten im Pilgeramt - gegenüber des beeindruckenden Petersdoms. Danach wollte er nur nach Hause. Als er einen Tag später endlich ein Bahn-Ticket nach Wien ergattert hatte, konnte er am Freitag, 30 Tage nach dem Beginn seiner Reise, die Familie wieder in den Arm schließen. „Und als mich Tamara, meine Jüngste, gesehen hat, weinte sie vor Freude“, erinnert sich der Vater zweier Mädchen gerührt.
Er hat es geschafft. Ninas Taufkette hängt nun über ihrem Kinderbett. Verbunden mit dem Glauben an Gott und verbunden mit einem Pilger aus Neukirchen vorm Wald.