König, Gabriele
Thema: Kinder, Nächstenhilfe, Hilfsbereitschaft
M1: PNP, 01.05.2010, Nr. 37, S. 37
Damit Nachhilfe nicht am Geldbeutel scheitert
Gabriele König aus Vornbach gibt kostenlos Nachhilfe - Sie möchte ihr Projekt ausweiten und sucht Gleichgesinnte
Von Carola Brunner
Vornbach/ Passau. Fundiertes Fachwissen und viel Freizeit - Gabriele König sucht Menschen, die beides vorzuweisen haben. Die Vornbacherin möchte ein Netz aus Ehrenamtlichen knüpfen, die Kindern und Jugendlichen aus bedürftigen Familien kostenlos Nachhilfeunterricht erteilen. Sie selbst hilft auf diese Weise bereits Neuhauser Realschülern über kleine Schwächen hinweg.
„Plötzlich war die Idee da. Wie ich drauf gekommen bin, kann ich gar nicht mehr sagen.“ Gabriele König überlegt kurz. Irgendwie, meint sie dann, sei eins zum anderen gekommen: Da ein Bericht über immer mehr Schulabgänger ohne Abschluss, ohne Perspektive; dort die Diskussion über Kinderarmut in Deutschland; und hier das Gefühl, dass sie mit ihren eigenen Fähigkeiten etwas Sinnvolles machen will.
Die Idee fand sofort Anklang
„Ich bin nun mal mathematisch begabt und in meinem Beruf hat sich herauskristallisiert, dass ich gut Wissen vermitteln kann, auf eine Art, die Kindern Spaß macht“, erzählt die 56-Jährige völlig unprätentiös. „Zeit habe ich ja auch. Und auf einmal wusste ich, was ich mache: Ich nutze meine Fähigkeiten und gebe kostenlos Nachhilfeunterricht für Schüler aus bedürftigen Familien“, erinnert sich die gebürtige Berlinerin, die mit ihrer Familie seit gut 30 Jahren in Vornbach am Inn lebt.
Gesagt, getan: Gabriele König, von Beruf Erzieherin, nahm Kontakt mit den Neuhauser Schulen auf. An der Grundschule hatte noch niemand Bedarf für Mathe-Nachhilfe, doch in der Maria-Ward-Realschule in Neuhaus am Inn wurde sie mit offenen Armen empfangen. „Die fanden, das ist eine gute Idee“. Nachdem die nötigen Formalitäten geklärt waren, startete das Projekt im Februar vergangenen Jahres.
Seitdem erklärt Gabriele König Schülern, was es mit Achsenspiegelungen auf sich hat, wie man Gleichungen, Ungleichungen und quadratische Funktionen löst oder rechtwinklige Dreiecke berechnet. Derzeit betreut sie elf Nachhilfeschüler; ihr Mann Hans-Jürgen Hape, ein Ingenieur, hilft drei weiteren in Physik und Mathe auf die Sprünge. Nicht alle ihre Nachhilfeschüler stammen aus bedürftigen Familien. Aber nur diese bekommen kostenlos Unterricht, bei den anderen müssen die Eltern zahlen - wie bei jedem anderen Nachhilfelehrer oder -institut auch. Allerdings kassieren die zehn Euro, die pro Einheit fällig sind, nicht Gabriele König und ihr Mann. Das Geld fließt in einen Fonds der Realschule Neuhaus, mit dem wiederum Schüler unterstützt werden, deren Eltern sich nicht ohne weiteres die Beiträge für Klassenfahrten, Exkursionen oder Ausflüge ihrer Sprösslinge leisten können.
An der Schule wird das alles ohne großen bürokratischen Aufwand abgewickelt. „Da wir eine kirchliche und keine staatliche Schule sind, müssen wir einen Elternbeitrag verlangen. Von da her wissen wir für jeden Schüler genau, ob er Anspruch auf kostenlose Nachhilfe hat oder nicht“, sagt Schulleiter Helmut Schwarz. Das Angebot von Gabriele König schätzt der Rektor als Teil der sogenannten schulinternen Nachhilfeorganisation, zu der auch andere Angebote wie etwa zusätzlicher Förderunterricht für Fünft- und Sechstklässler gehören. „Es gibt sicher Bedarf und ich bin sehr froh über solche Angebote“, sagt Schwarz.
Auch Gabriele König selbst sieht ihre Tätigkeit als Bereicherung an: „Was nützt mir meine Begabung, wenn sie brach liegt? Es ist ein Geben und Nehmen. Ich profitiere genauso davon wie meine Schüler“, sagt sie. Und dieser Gedanke wiederum hat die Vornbacherin auf die Idee gebracht, ihr Projekt auszuweiten: Erstens gebe es auch Nachhilfe-Bedarf in anderen Fächern und zweitens auch nicht nur in Neuhaus, sondern im gesamten Passauer Raum. An diesem Punkt kam Gabriele König der Zufall zu Hilfe: Bei einem Computerkurs lernte sie Alexandra Hammer kennen und erzählte dieser von ihrer Idee. Die Leiterin eines Passauer Lern- und Nachhilfestudios war sofort begeistert. „Gabriele König hat mich darauf gebracht, dass es Menschen gibt, die sich Nachhilfe für ihre Kinder nicht leisten können. Ich finde es aber sehr wichtig, dass man hier Chancengleichheit schafft, damit alle Kinder die Möglichkeit haben, einen guten Schulabschluss zu erreichen“, sagt die 27-Jährige. So entschloss sie sich kurzerhand, für die kostenlosen Nachhilfestunden einen Raum in ihrem Lernstudio in Passau unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
„Jetzt suchen wir natürlich Menschen, die wie ich kostenlos Nachhilfe geben - in Mathe und Physik, Englisch, Französisch oder Latein, denn Bedarf gibt es ja sicherlich in vielen Fächern und bei Schülern aller Schularten“, sagt Gabriele König. Melden kann sich jeder - vom Studenten bis zum Rentner, der über fundiertes Wissen in einem der Fächer verfügt und Freude daran hat, dieses Wissen weiterzugeben. Auch eine Portion Einfühlungsvermögen und Geduld würde nicht schaden, meint Gabriele König.
Zusammen mit Alexandra Hammer hat sie sich schon Gedanken darüber gemacht, wie sich der bürokratische Teil am einfachsten bewerkstelligen ließe. Die beiden Frauen könnten sich ein Modell vorstellen, wie es sich bei den „Tafeln“ bewährt hat, die Bedürftige mit kostenlosen Lebensmitteln versorgen. Eltern könnten gegen Vorlage ihrer Hartz-IV- oder Grundsicherungsbescheide bei den kommunalen Verwaltungen Berechtigungsscheine ausstellen lassen, mit denen ihre Kinder in den Genuss der kostenlosen Nachhilfe kommen.
Symbolischer Beitrag von einem Euro
Pro Unterrichtseinheit planen König und Hammer übrigens, einen symbolischen Beitrag von einem Euro zu verlangen. Dies hat in erster Linie psychologische Gründe - sie wollen vermeiden, dass sich ein „Was nichts kostet, ist nichts wert“-Effekt einschleicht. Bereichern wollen sich die beiden Frauen damit nicht, das Geld würden sie verwenden, um Unkosten zu decken.
„Beispielsweise einen kleinen Beitrag leisten zu den Benzinkosten, die unsere Dozenten für die Anfahrt haben“, meint Gabriele König und klingt dabei so, als habe sie gar keinen Zweifel daran, dass sich demnächst etliche Menschen melden und mitmachen und wie sie ihre Zeit und ihr Wissen zur Verfügung stellen, damit wieder ein Stückchen mehr Chancengleichheit einkehrt.
Ansprechpartner für Personen, die wie Gabriele König kostenlos Nachhilfe geben wollen, ist Alexandra Hammer. Sie ist montags bis freitags jeweils von 13 bis 18 Uhr erreichbar unter Tel. 08 51/4 90 85 17.
M2: Bild von Gabriele König und Alexandra Hammer
M3: Didaktische Impulse
1. Schreibe einen Brief an Gabriele König, in dem du deine Dankbarkeit zum Ausdruck bringst!
2. Entwerfe ein Akrostichon zum Thema "Helfen"!
Beispiel:
H ...
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E ...
N ...
M4: Ausstellungstafel
Die Ausstellungstafel entstammt der Wanderausstellung "Tolle Typen heute", die ausgeliehen werden kann. Weitere Informationen siehe Wanderausstellung