Kinateder, Matthias
Thema: Freiwilligendienst
M1: PNP, 24.12.2014, Nr. 297, S. 41
Feliz Navidad nach Zwölfling
Matthias Kinateder (19) macht ein Soziales Jahr in Bolivien – Diözese organisiert den Aufenthalt im Waisenhaus
von Carmen A. Laux
Thyrnau/Camargo. Weihnachten findet für Matthias Kinateder heuer ohne seine Familie statt. Der 19-Jährige aus Zwölfling ist in Bolivien, macht ein soziales Jahr. Schuld daran ist eine Doku über einen afrikanischen Wildpark, die der Abiturient des Gymnasiums Untergriesbach gesehen hat.
"Ich wollte nach dem Abi nicht gleich studieren", erzählt der junge Mann. Und so kam ihm die Idee mit dem sozialen Jahr gerade recht. Er fing an zu recherchieren und kam ziemlich schnell auf die Diözese Passau. "Da bin ich auch direkt geblieben", lacht er.
Großes Interesse Südamerika
Generell war sein Interesse an Südamerika groß, Vorlieben aber hatte er nicht. "Bolivien wurde es auch, weil die Stelle im Waisenhaus in Camargo nicht mit dem Unterrichten von Englisch verbunden war – denn das ist nicht so mein Ding", gesteht der 19-Jährige.
Am 3. August ging es los: Von Zwölfling nach Paris, dann zehn Flugstunden nach Bogota und nochmal vier Stunden nach Sucre. Dort blieb er vier Wochen, machte einen Spanisch-Intensiv-Kurs. Dass dieser Sinn macht, wusste Matthias Kinateder von drei Vorbereitungstreffen mit den anderen zwölf Freiwilligen aus der Diözese, bei denen Ehemalige über ihre Erfahrungen berichteten.
Je konkreter die Planungen des Sohnes wurden, desto klarer war den Kinateders in Zwölfling, dass sie sich für ein Jahr wohl von Matthias verabschieden müssen. "Eine für alle gewöhnungsbedürftige Situation", wie der 19-Jährige zugibt. Kontakt zu Eltern, Bruder und ein paar Freunden hält er nach wie vor: "Einmal die Woche wird geskypt." Und in den Osterferien, das steht schon fest, kommen Papa und Bruder, besuchen ihn, schauen sich seine Arbeit an. "Die meisten Kinder hier sind Sozialwaisen. Madre Carmen leitet das Haus, Schwester Elvira kümmert sich um die Mädchen, Schwester Dela um die Jungs. Ich helfe ihr, arbeite mit den größeren Buben", erklärt Matthias Kinateder. 14 sind es, zwischen sieben und 13 Jahre alt. Sein Dienst fängt morgens in der Küche an, wo er der Köchin beim Frühstückmachen hilft. Danach bringt er die Kinder zur Schule. "Dann hätte ich ein paar Stunden frei. Aber zur Zeit ist ein Bub verletzt, kann nicht in die Schule. Also lerne ich mit ihm." Um elf Uhr holt der 19-Jährige die ersten Kinder wieder ab, die anderen um 12.30 Uhr.
Nach dem Mittagessen geht’s ans Hausaufgaben-Machen. "Ich muss vor allem aufpassen, dass keiner anfängt zu streiten. Ansonsten: Mathe erklären, bei Kunstprojekten helfen und so weiter." Nach den Hausaufgaben geht’s meist zum Fußballspielen in den Hof. Nach dem Abendessen müssen die Kinder ins Bett, Matthias Kinateder kümmert sich darum, dass alle Zähne putzen, unter die Dusche gehen und nicht zu lange wach bleiben. Außerdem ist er für kleinere Hausmeister- und Gärtnerarbeiten zuständig.
"Mit Jugendarbeit hatte ich bisher wenig am Hut. Aber die Beschäftigung mit den Kindern macht Spaß", erzählt der 19-Jährige. Gilt das auch fürs Leben in einem Entwicklungsland? "Hier ist zwar alles recht einfach, aber was man zum Überleben braucht, ist vorhanden", so Matthias Kinateder. An das Klima hat er sich auch schnell gewöhnt: Es ist wärmer und trockener – zumindest in Camargo, 2700 Meter über dem Meeresspiegel. Auch die hiesige Kultur macht ihm das Eingewöhnen leicht: "Es ist nicht so viel anders als bei uns."
Plastikbaum statt Tanne
So wird auch in Camargo Weihnachten gefeiert. Seit letzter Woche schmücken Lichterketten Plazas und Kirche im Ort. Matthias Kinateder hat mit den Kindern Weihnachtslieder und Tänze einstudiert und einen Christbaum aus Pappe gebastelt. Im Saal des Waisenhauses steht zudem einer aus Plastik. "Fichten oder Tannen gibt’s ja hier nicht", schmunzelt der 19-Jährige, der auch schon zwei Weihnachtsbäume mit Kunstschnee gesehen hat – "etwas seltsam bei 25 bis 30 Grad".
An Heiligabend wird im Waisenhaus gesungen und getanzt, die Christmette besucht. Und eine Bescherung gibt’s auch: Ein örtlicher Radiosender startete extra eine Kampagne: "Mit einem Reporter habe ich so ziemlich alle Läden abgeklappert und Sachspenden gesammelt", erzählt der 19-Jährige. Auch die Schwestern beschenken die Kinder. So liegt für jedes Kind etwas unter dem Plastikbaum.
Die größten Probleme beim Eingewöhnen hatte der Zwölflinger mit der Verständigung: "Die war anfangs nur mit Händen und Füßen möglich. Denn selbst nach dem Kurs in Sucre waren wir von gutem Spanisch, genauer eigentlich Castellano, noch weit entfernt. Das hat sich inzwischen aber deutlich gebessert, auch wenn der Wortschatz noch etwas fehlt." Entsprechend positiv fällt auch seine Drittel-Bilanz aus: "Ich würde wieder ein soziales Jahr machen. Man sammelt Erfahrungen, die einem keiner mehr nehmen kann."
Wer das Waisenhaus in Camargo unterstützen möchte – es gibt ein Spendenkonto: Missionsreferat – Diözese Passau, IBAN: DE 49750903000004303520, BIC: GENODEF1M05, Verwendungszweck: Bolivien Camargo.
M2: Bild von Matthias Kinateder
M3: Didaktische Impulse
1. Ein Jahr im Ausland - auch eine Alternative für dich nach deinem Schulabschluss? Überlege dir, was für und was gegen ein soziales Jahr im Ausland spricht und wäge pro und contra ab. Tausche dich anschließend mit deinem Banknachbarn über deinen Standpunkt aus und begründe ihn!
2. Schreibe einen Brief aus der Sicht von Matthias an seine Eltern/ Freunde/ Bekannten zu Weihnachten und gehe dabei auf folgendes ein:
- deine bisherigen Tätigkeiten
- den Umgang und die Reaktionen der Menschen mit dir als "Freiwilligendienstler"
- deine Erfahrungen über das Land, deine Erlebnisse außerhalb deines Dienstes
- deine Gefühle und Einstellungen zu dem Land, zu deinem Dienst, zu den Leuten...
- deine Wünsche, Hoffnungen, aber auch Ängste für die kommende Zeit
Lies dir den Brief nochmal in Ruhe durch: Hat sich deine Einstellung zu einem Auslandsjahr vielleicht verändert? Wenn ja, inwiefern?
3. Stell dir vor, du kehrst nach einem Jahr im Ausland wieder zurück in deine Heimat. Male dir aus, wie die Wiedersehensfeier mit deinen Eltern, Freunden und Bekannten wird und wie du deiner Gemeinde in einem Dia-Vortrag deine Erlebnisse schilderst. Was könnten deine Familie, Freunde und einige Leute aus deiner Gemeinde zu dir über deine Arbeit sagen? Geht in 4er-Gruppen zusammen und sammelt eure Aussagen auf einem Plakat. Stellt eure Ergebnisse anschließend in der Klasse vor.