Kargus, Franz
Thema: Ehrenamt, Hilfsbereitschaft, Solidarität
M1: PNP, 12.09.2015, Nr. 211, S. 32
Ein Lieferservice für Nächstenliebe
Franz Kargus ist Fahrer bei der Hutthurmer Tafel – Er bringt bedürftigen Menschen Lebensmittel und einen Funken Hoffnung
von Sabine Kain
Hutthurm. Beruflich fährt Franz Kargus einen Geldtransporter. In seiner Freizeit transportiert er eine Fracht, die ungleich kostbarer ist: Lebensmittel. Kargus ist ehrenamtlicher Helfer bei der Hutthurmer Tafel. Um seinen bedürftigen Kunden zu helfen, nimmt er alle zwei Wochen sogar eine Doppelschicht in Kauf.
Seit zwei Jahren dreht Kargus seine Runden für den Lieferservice, ohne den viele Menschen in der Region in arge Not geraten würden. Sein Nachbar hat ihn eines Tages gefragt, ob er nicht helfen wolle. "Die Kollegen bei der Tafel hatten damals ein ziemliches Alter", erinnert sich Kargus. Er ließ sich nicht lang bitten. Dabei ist er selbst schon Rentner, seit 13 Jahren. Doch auch jetzt will der 65-Jährige, der früh im Leben zu arbeiten begann, nicht untätig sein.
Für seinen Zuverdienst als Geldtransporter-Fahrer schiebt Franz Kargus regelmäßig Nachtschichten. Erst um 7 Uhr morgens kommt er heim. An jedem zweiten Mittwoch geht für ihn die Arbeit schon um 8 Uhr weiter – dann als einer der ehrenamtlichen Semmel-Chauffeure der Tafel. Bis 12 Uhr ist er unterwegs. Sein Bett muss warten, aber "a Waidler hoit’s aus", sagt er gelassen.
Bei den Läden, die ihre Waren vom Vortag zur Verfügung stellen, sammelt er morgens die Kisten ein und verlädt sie in den Laderaum des Tafel-Transporters. Der hat eine eigene Kühlung, damit die verderbliche Ware während der Fahrt keinen Schaden nimmt. "Manchmal ist’s ein bisserl wenig", wiegt Franz Kargus in Gedanken die Lebensmittel ab. "Es kommen ja immer mal neue Kunden dazu, da braucht man schon ordentlich Zeug." Das weiß der Ehrenamtliche aus erster Hand.
Die Ware chauffiert er nicht nur zur zentralen Ausgabestelle der Tafel in Hutthurm, sondern auch zu jenen Kunden, die dort nicht hinkommen können, weil sie kein Auto haben, krank oder gebrechlich sind. "Die Leut’ warten teilweise schon auf uns", erzählt er. Manchen, die es selbst nicht mehr können, trägt er die Lebensmittelvorräte auch die Treppe hinauf. Die Dankbarkeit ist groß: "Die Leut’ täten ihr letztes Fuchz’gerl noch als Trinkgeld hergeben. Aber wir nehmen natürlich nix dafür. Die sind zu Tode froh und bedanken sich zig mal." Nur für die Ware zahlen die Kunden einen kleinen symbolischen Preis.
Manchmal muss Kargus aber auch wieder Lebensmittel mitnehmen, etwa wenn das falsche Fleisch im Paket war. "Das ist besser als wenn sie es wegwerfen. Das nächste Mal wissen wir dann Bescheid und tun was anderes dafür rein." Kargus bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Nur wenn er mittags von seinen Tafel-Fahrten heimkehrt, kann er nicht schlafen. "Dann bin ich so aufgekratzt, da ist keine Müdigkeit." Das Bett sieht er erst später am Nachmittag. "Das mach ich, bis ich nicht mehr kann", gibt er sich kämpferisch und schiebt verschmitzt hinterher: "Ich bin ja erst 65."
Geld bekommt er nicht für seine ehrenamtlichen Lieferfahrten, dafür einen anderen Lohn. "Das gibt mit einfach etwas, wenn ich jemandem helfen kann", versucht er zu erklären, was für ihn ganz selbstverständlich ist. "Ich hab’ immer versucht, jedem zu helfen. Und so bin ich immer noch. Es macht mir Spaß." Und nicht nur ihm, wie er weiß: "Die Leut’ sind froh, wenn jemand zu ihnen kommt. Dann kann man auch mal ein paar Worte reden. Aber nicht zu viel, denn der nächste wartet dann schon."
"Helfer haben wir nie genug", sagt Pfarrer i.R. Herbert Oberneder, der als Pfarrcaritasvorsitzender für die Tafel mitverantwortlich ist und ihre Bedeutung nicht genug betonen kann: "Die Tafel ist sehr wichtig. An unserem alten Standort in der Fuchsmühle gab es seit der Gründung 2007 insgesamt 402 Essensausgaben." Dazu bietet die Tafel eine Kleiderkammer an. Beides bedeutet viel Arbeit für die Ehrenamtlichen. Daher sagt Oberneder: "Je mehr Helfer wir haben, umso besser ist es – auch für die Helfer." Eine besondere Qualifikation brauche man nicht. "Uns ist jeder willkommen."
So sieht das auch Kargus und wünscht sich nur eins: "Es sind vor allem ältere Leute bei der Tafel engagiert, wenig junge. Davon bräuchten wir mehr. So ein Ehrenamt ist ja auch eine sinnvolle Beschäftigung." Ohne die Helfer gäbe es die Tafel nicht. Und ohne die Tafel? "Oh, mei", stöhnt Kargus, "dann schaut’s wild aus. Die Leut’ brauchen doch was zu essen."
Info: Das ist die Tafel
- Engagement: Rund 50 Helfer arbeiten bei der Hutthurmer Tafel, organisieren und verteilen Lebensmittel und betreiben zudem eine Kleiderkammer.
- Hilfe: Die Tafel zählt rund 250 Kunden, Tendenz steigend. Sie betreut von Hutthurm aus bedürftige Menschen in zehn Kommunen, gibt für einen symbolischen Preis Lebensmittel ab und verkauft Kleider, auch an Nichtbedürftige. Der Erlös fließt zurück in die Arbeit der Tafel.
- Bedarf: Für den laufenden Betrieb benötigte die Hutthurmer Tafel bislang etwa 15000 Euro im Jahr. In den neuen Räumen im ehemaligen Geierhaus ist jedoch die Miete höher. Deshalb zahlen die Kommunen künftig einen Zuschuss, auch die Pfarreien greifen den Ehrenamtlichen finanziell unter die Arme. Doch mit Geld allein ist der Tafel nicht geholfen, wie Pfarrer Oberneder sagt: "Wir suchen ständig Helfer."
- Kontakt: Die Tafel in der Marktstraße 15 in Hutthurm hat mittwochs von 14 bis 16 Uhr geöffnet und ist unter der Telefonnummer 08505/ 919837 zu erreichen. Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.hutthurmertafel.de.
- Weitere Standorte: Fürstenzeller Tafel, Ausgabestelle Wieningerstraße 4, Tel.: 08502/8864, Träger: Katholischer Frauenbund; Hauzenberger Tafel, Simonstraße 41, Tel.: 08586/ 1086, Träger: Pfarrcaritasverein; Passauer Tafel, Große Messergasse 1, Tel.: 0851/8386624, Träger: Caritasverband der Diözese.
M2: Bild von Franz Kargus
M3: Didaktische Impulse
1. Franz Kargus bekommt für seine ehrenamtliche Tätigkeit kein Geld. Fallen euch Anreize ein, die für ein ehrenamtliches Engagement sprechen, auch wenn man dafür nicht bezahlt wird? Haltet sie auf bunten DIN-A 4-Blättern fest und hängt sie in eurer Klasse an die Pinnwand.
2. Welthunger ist immer noch ein aktuelles Thema: Kennst du bestimmte Länder, Regionen, Völker, Personengruppen,..., die davon betroffen sind? Gibt es dort Hilfsangebote? Erkundige dich im Internet, in Zeitschriften, Büchern, etc.!
Suche dir ein bestimmtes Land/eine bestimmte Region/ Personengruppe/ etc. aus und befasse dich näher damit: Kläre, welche Faktoren zur Armut und zum Hunger führen und auf welche Art und Weise dort Hilfe geleistet wird. Bilde dir ein Urteil darüber, ob die entsprechenden Hilfsangebote in deinen Augen das Problem des Welthungers nachhaltig eindämmen können und "fruchtbar" sind oder nur von kurzer Dauer.
3. Stell dir vor, du bist für einen Moment mitten unter den armen Menschen, die Hunger leiden müssen und verzweifelt auf Hilfe warten. Versuche, mögliche Gedanken, die diese Menschen bewegen könnten, in einem Brief, in einem Gedicht, in einem Elfchen oder in einer anderen kreativen Schreibform auszudrücken. Bringe dabei evtl. auch mit ein, wie sie sich fühlen, wenn ihnen dann Helfer zur Seite gestellt werden!
4. Auch im Kirchenjahr schlägt sich mit dem Erntedankfest das Thema Essen nieder. Gestaltet in der Klasse gemeinsam ein Bodenbild passend zu Erntedank. Verwendet dabei nur Nahrungsmittel, die man ernten bzw. sammeln kann (Nüsse, Früchte, Obst, Gemüse,...)! Versammelt euch anschließend im Kreis darum und betrachtet es für einen Moment in Stille. Gehe in dich und werde dir bewusst, wofür du dankbar sein kannst und magst. Wenn du willst, teile diesen Gedanken deiner Klasse mit.
evtl. kann im Anschluss daran noch ein kurzes gemeinsames Frühstück stattfinden.