Kaiser, Hans
Thema: Lebensretter
M1: PNP, 18.06.2011, Nr. 139, S.10
Dieser Müllfahrer aus Simbach hat eine Frau vor Flammentod gerettet
Der Simbacher Hans Kaiser zog mit drei weiteren Helfern eine Autofahrerin aus ihrem brennenden Wagen − In der PNP erzählt er von seiner Heldentat
Von Andreas Geroldinger
Nein, Hans Kaiser fühlt sich nicht als Held. Dabei darf das, was er am Donnerstagnachmittag geleistet hat, wahrlich als heldenhaft bezeichnet werden: Hans Kaiser hat ein Menschenleben gerettet, gemeinsam mit drei weiteren Helfern eine 32-jährige Frau aus einem brennenden Auto gezogen.
Wie berichtet, hatte ein 19-jähriger Autofahrer auf der Staatsstraße zwischen Marklkofen (Lkr. Dingolfing-Landau) und Frontenhausen beim Linksabbiegen ein entgegenkommendes Fahrzeug übersehen. Eine 32-Jährige aus dem Landkreis Dingolfing-Landau konnte nicht mehr ausweichen; sie stieß frontal auf das Fahrzeug des 19-Jährigen, ihr Polo fing Feuer. Nur Dank vier mutiger Helfer, die sie aus dem brennenden Wrack befreiten, hat sie den Unfall überlebt. Darunter auch Hans Kaiser. Für den 52-Jährigen aus Simbach bei Landau aber kein Grund zur Aufregung: "Das war für mich selbstverständlich. Man kann die Frau doch nicht verbrennen lassen."
Donnerstagnachmittag, kurz nach 15 Uhr. Müllfahrer Hans Kaiser ist mit einer Kollegin auf dem Weg zurück von der Umladestation in Marklkofen. Vorfreude auf den Feierabend. Doch schon von weitem sieht Kaiser zwei Autos auf der Straße stehen, aus einem der Fahrzeuge züngeln Flammen, der Motorraum qualmt. Zwei Helfer sind bereits auf dem Weg zum Fahrzeug. Für Kaiser ist sofort klar: "Da muss ich unbedingt helfen."
Unfallopfer verliert teilweise Bewusstsein Am Unfallort spielen sich dramatische Szenen ab: Die Frau aus dem Landkreis Dingolfing-Landau kann sich nicht mehr selbst befreien. Die drei Männer versuchen die Fahrzeugtür zu öffnen, doch der Rahmen des Polos hat sich durch den Aufprall verzogen. Es bleibt nur das Fenster, doch die Öffnung ist zu klein, um die Frau aus dem Auto zu bekommen. Ein vierter Mann eilt zu den Helfern. Mit einem Nageleisen versuchen sie, den Rahmen nach oben zu drücken, um die Öffnung zu vergrößern. "Da Das bleibt nicht viel Zeit, da muss man zupacken", sagt Kaiser. 32-jährige Unfallopfer verliert immer wieder das Bewusstsein. Möglichst vorsichtig versuchen die vier Männer die Frau aus dem Auto zu bekommen, schließlich kann ein solch harter Aufprall auch schwere Wirbel- oder Kopfverletzungen nach sich ziehen, das ist auch den Helfern klar. "So schonend wie es geht, aber raus damit", das hat sich Kaiser gedacht.
Mit vereinten Kräften gelingt es schließlich, die Verletzte mit den Armen voran durch das Fenster herauszuziehen. Etwa fünf Minuten dürfte die Aktion gedauert haben, schätzt Kaiser. Fünf Minuten, die ihm wie eine Ewigkeit erscheinen: "Das kommt einem schon lange vor." Die Erleichterung ist danach umso größer: "Wir haben's geschafft" sei ihm als erstes durch den Kopf geschossen.
Die Helfer legen die verletzte Frau etwas entfernt vom Auto ab. Das fängt immer stärker an zu brennen. Zwei Mal, sagt Kaiser, habe man die Frau weiter weg verlagert, um sie aus der Gefahrenzone zu bringen. In der Zwischenzeit haben weitere Zeugen Feuerwehr und Rettungsdienst alarmiert. Kurz darauf steht das gesamte Fahrzeug in Flammen, die Reifen explodieren. "Fünf Minuten später und es wär' zu spät gewesen", ist Kaiser überzeugt.
Eine grausame Vorstellung, die ihn auch während der längsten fünf Minuten seines Lebens begleitet hat. "Man hat Angst, dass man irgendwann abbrechen muss." Allerdings versuche man, diese Gedanken zu verdrängen. "Das darf man gar nicht einreißen lassen, sonst macht man Fehler." Einen kühlen Kopf bewahren − das ist das A und O. "Das Wichtigste ist, das nüchtern anzugehen."
Gedanken an die eigene Gesundheit habe er dabei aber verdrängt. "Da denkt man nicht mehr an sich selber, auch wenn mir bewusst war, dass ich mein Leben riskiere", sagt Kaiser. Eine Angst, die in den Hintergrund rückt: "Solange man einem Menschen helfen kann, muss man das tun."
"Ich hab ganz normal geschlafen" Der Tag danach ist für Kaiser ein Tag wie jeder andere. Am Morgen geht er ganz normal zur Arbeit, sitzt wie schon seit 30 Jahren wieder am Steuer seines Müllautos. Viele Gedanken über seine Heldentat macht er sich nicht mehr. "Ich glaube, es ist schwieriger zu verarbeiten, wenn man an einem Unfall selbst beteiligt ist."
Auch der Donnerstagabend sei ganz normal verlaufen. Nachdem die Feuerwehr das Auto gelöscht hatte und die Frau mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen wurde, habe er sich mit seinen Mithelfern − einem 42-Jährigen aus Engelbrechting, einem 38-Jährigen aus Landau und einem 57-Jährigen aus Gerzen − noch ein wenig über den Einsatz unterhalten. Danach sei er nach Hause, habe mit seiner Frau über den Unfall gesprochen und sei dann ins Bett gegangen. Bis in den Schlaf haben ihn die Ereignisse nicht verfolgt. "Ich hab ganz normal geschlafen."
32-Jährige auf dem Weg der Besserung Als Held fühlt er sich nicht. "Darauf brauche ich mir nichts einzubilden", sagt Hans Kaiser. "Ich würde das wieder machen, wenn ich in so eine Situation komme." Für den 52-Jährigen Teil seiner Lebenseinstellung. "Ich lasse niemanden hängen." Dennoch: "Es tut natürlich gut, wenn man jemandem helfen kann", gesteht Kaiser. Er ist froh, so gehandelt zu haben: "Wäre die Frau verbrannt, hätte ich mir ewig Vorwürfe gemacht."
Nun hofft er, dass sich der Einsatz auch gelohnt hat. "Es ist mein größter Wunsch, dass die Frau das ohne größere Schäden übersteht." Bislang sieht es gut aus, hieß es gestern aus dem Klinikum Deggendorf auf Nachfrage der Passauer Neuen Presse. Die 32-Jährige sei bei dem Unfall zwar schwer verletzt worden − sie hat Schädelverletzungen und mehrere Knochenbrüche davongetragen −, sei aber nicht in Lebensgefahr und befinde sich bereits auf dem Weg der Besserung. Etwa zwei Wochen wird sie noch im Krankenhaus bleiben müssen. Hans Kaiser plant nicht, die Frau im Krankenhaus zu besuchen. "Vielleicht trifft man sich später irgendwann mal." Dann wird die 32-Jährige ihren Lebensrettern wohl herzlich danken. Es sind ihre Helden.