Kadletz, Lisa
Thema: Hilfsbereitschaft, Nächstenhilfe, Unfall
M1: PNP, 26.08.2013
"Ich würde in jedem Fall wieder helfen"
29-Jährige als "Kavalier der Straße" vorgeschlagen – Sie kümmerte sich beherzt um Schwerstverletzten – PNP sucht weitere Kandidaten
von Ariane P. Freier
Landau/Isar. Lisa Susanne Kadletz fährt seit elf Jahren Auto. Doch in eine Situation wie an diesem hochsommerlichen 1. August war die 29-Jährige aus Landau an der Isar bis dato noch nie geraten. "Ich wollte zur Spätschicht", erinnert sich die Mitarbeiterin von Mann+Hummel in Marklkofen (Lkr. Dingolfing-Landau). Als sich plötzlich auf der "Milchstraße" bei Sommershausen im Gemeindebereich Reisbach die Autos stauen, denkt sie sich sofort: Da stimmt was nicht. Die junge Frau mit den leuchtend roten kurzen Haaren überlegt nicht lange, stellt kurzerhand ihr Auto neben der Kreisstraße DGF 19 ab und zückt das Handy.
"Da lag ein Roller", erzählt die Nichte des Bildhauers Gerhard Kadletz. "Und daneben ein Verletzter." Doch der Rettungswagen sei bereits alarmiert worden, erfährt sie. Ein anderer Helfer schützt den Verletzten derweil mit einem Regenschirm vor der brennenden Sonne. "Da erst habe ich seinen linken Fuß genauer gesehen", sagt Lisa Susanne Kadletz und schluckt. Der Mann sei bei vollem Bewusstsein gewesen. "Er hat mir so leid getan. Und ich habe einfach nur mit ihm geredet, damit er bei Bewusstsein bleibt." Das Blut, das sie sonst nicht sehen kann, spielt in diesem Augenblick keine Rolle. Auch der beteiligte Autofahrer steht unter Schock, wie sie sich erinnert. Er sei wie ein wundes Tier auf- und nieder gelaufen.
Lisa Susanne Kadletz versucht, es dem 72-jährigen Unfallopfer so bequem wie möglich zu machen, bettet seinen Kopf auf eine Jacke, tupft den Schweiß von Stirn und Augen. "Ich hab ihm gesagt, das wird wieder mit dem Fuß", sagt die junge Frau. Und dann ersticken Tränen ihre Stimme. "Der Fuß musste nach den vorliegenden Unterlagen amputiert werden", teilt das Polizeipräsidium Niederbayern mit. Zu schwer seien die Folgen dieses unglücklichen Zusammenstoßes gewesen. Beim Abbiegen nach Sommershausen war der Rollerfahrer auf die linke Fahrbahn geraten und hatte dabei die Vorfahrt eines entgegenkommenden Autofahrers übersehen. Beim Streifen blieb der Biker mit dem linken Fuß im Radlauf des Wagens hängen und verlor dabei einen Großteil seines Fußgelenks.
Für die 29-Jährige ist es trotz der brütenden Mittagshitze selbstverständlich, dass sie bis zum Eintreffen des Rettungshubschraubers bei dem Verletzten bleibt und weiter versucht, ihn zu beruhigen. Dann trifft ein Familienmitglied des Verunglückten ein. Lisa Susanne Kadletz verabschiedet sich und fährt zur Arbeit.
"Eine medizinische Hilfeleistung war Frau Kadletz nicht möglich, jedoch sprach sie dem Verletzten Mut zu und betreute ihn. Dies ist umso bemerkenswerter, als an der Unfallstelle noch weitere Personen anwesend waren und die Verletzung nicht unerheblich war", sagt Polizeihauptkommissar Frank Schlenz. Aus diesem Grund habe das Polizeipräsidium Niederbayern der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tageszeitungen Lisa Susanne Kadletz auch als "Kavalierin der Straße" vorgeschlagen. "Frau Kadletz hat sich in dieser sicherlich auch für sie schwierigen Situation vorbildlich verhalten und auf sehr menschliche Art Hilfe geleistet, wie sich auch aus den Reaktionen des Verletzten zeigt." Unmittelbar nach dem Erwachen aus der Narkose hatte sich der Verunglückte nach seiner Helferin erkundigt. Er wollte ihr Dank sagen.
KENNEN SIE KAVALIERE?
Die PNP ist Mitglied von "Kavalier der Straße", einer bundesweiten Arbeitsgemeinschaft deutscher Tageszeitungen, die das partnerschaftliche Miteinander im Straßenverkehr fördert. Ob Autofahrer, Fußgänger, Radfahrer oder Biker – wer anderen auf der Straße in Not geholfen hat, kann als "Kavalier der Straße" vorgeschlagen werden. Ein überregionaler Verleihungsausschuss entscheidet, was als auszeichnungswürdig gilt. Die ungewöhnlichsten Hilfsaktionen werden im Rahmen der Jahrestagung "Kavalier der Straße" gewürdigt. Vorschläge für die Auszeichnung können jederzeit an die PNP weitergeleitet werden, entweder per Mail an ariane.freier@pnp.de oder per Post an Passauer Neue Presse, Kavalier der Straße, Medienstraße 5, 94036 Passau.
M2: Bilder von Lisa Susanne Kadletz
M3: Didaktische Impulse
1. Diskussion
Zitat von Helen Adams Keller (1880-1968): „Ich weinte, dass ich keine Schuhe hatte, bis ich einen sah, der keine Füße hatte.“ Diskutiert darüber in der Klasse.
Möglicher Ansatz: Viele Menschen sind mit ihrem Leben unzufrieden. Sie wollen immer mehr und geben sich nie mit dem zufrieden, was sie haben. Vermögen und materieller Besitz gewinnen zunehmend an Bedeutung. Frustration und Neid auf andere Menschen sind die Folge. Erleben diese Leute allerdings einen Schicksalsschlag, werden solche "Probleme" plötzlich nichtig.
3. Brief an Lisa verfassen!
Schreibt einen Brief an Lisa und dankt für ihren selbstlosen Einsatz.
2. Perspektivenwechsel
Versetzt euch in die Lage von Lisa Susanne Kadletz. Was ging wohl in dieser Frau vor, als sie bemerkte, dass ihre schnelle Hilfe gefragt ist.