Janotta, Zuzana
Thema: Völkerverständigung, Ehrenamt
M1: PNP vom 9.1.2007, S. 27
Ein Dolmetscherteam für alle (Not-)Fälle
"SOS in Passau" leistet in Notsituationen kostenlose Hilfe - 28 ehrenamtliche Übersetzer für elf Sprachen
von Helene Baumgartl
Menschen aller Herren Länder halten sich regelmäßig in der Europastadt Passau auf. Sie machen Urlaub oder arbeiten dort. Genauso werden sie aber auch plötzlich krank, erleiden einen Unfall oder werden in Straftaten verwickelt. Wenn dann noch Verständigungsschwierigkeiten hinzu kommen, ist das Leid umso größer. Hier leistet das Team von „SOS in Passau“ schnell und kostenlos Hilfe. 28 ehrenamtliche Dolmetscher übersetzen bei Notfällen in elf verschiedene Sprachen.
„Gefragt sind vor allem die slawischen Sprachen“, berichtet Rudolf Brust, der seit 30 Jahren die Freiwilligentruppe zusammenhält und immer wieder neue Übersetzer für den ehrenamtlichen Dienst anwirbt. „Wir hatten aber auch schon mal Chinesisch, Arabisch, Finnisch oder Schwedisch im Programm“, erzählt der 83-Jährige. Das handliche Faltblatt mit den Namen und Telefonnummern aller Dolmetscher verteilt er regelmäßig an die Mitarbeiter vieler Stellen, mit denen Ausländer bei Notsituationen in Kontakt kommen können - von der Tankstelle und der Autowerkstatt über Ämter und Polizei bis hin zum Klinikum. So können diese schnell Hilfe für ihre Patienten, Klienten oder Kunden holen.
Ins Leben gerufen wurde der Dolmetscherdienst in den Siebziger Jahren von der kirchlichen Organisation Legion Mariens, die sich um die sozialen Belange in den Pfarreien kümmert. Finanziert wird „SOS in Passau“ seither von der Ausländerseelsorge der Diözese Passau. Rudolf Brust machte sich damals als Diözesanleiter der Legion Mariens auf Anregung des damaligen Generalvikars Anton Geyer auf die Suche nach Freiwilligen, die bereit waren, Ausländern in sprachlichen Notsituationen unentgeltlich zu helfen. „Ich habe mich im Bekanntenkreis umgehört und nach einem Vierteljahr haben wir an die 30 Leute beisammen gehabt“, erinnert er sich.
Auch heute noch ist das Dolmetscher-Team eine bunt gemischte Gruppe. Lehrer und zwei Pfarrer sind ebenso darunter wie eine Fremdsprachenkorrespondentin, vereidigte Gerichtsdolmetscher oder Passauer mit Wurzeln in einem europäischen Nachbarland. Derzeit decken 28 Helfer elf Sprachen ab. Die größte Auswahl haben übrigens Hilfe suchende Ungarn und Polen: Ihnen stehen jeweils sechs Dolmetscher zur Verfügung. Für Tschechisch, Englisch und Französisch haben sich je drei Übersetzer gefunden. Hinzu kommen noch sechs weitere Sprachen: Kroatisch, Rumänisch, Russisch, Ukrainisch, Spanisch und Italienisch.
Bei ihrem Einsatz im Dienste der Verständigung erleben die ehrenamtlichen Dolmetscher viel Leid, berichten aber auch von manch kurioser Begebenheit. „Von Nagellackdiebstahl bis Mord habe ich schon alles erlebt“, erzählt Zuzana Janotta (61), die seit 30 Jahren ihre tschechische Herkunft - gepaart mit perfekten Deutsch-Kenntnissen - ihren Landsleuten in Not zur Verfügung stellt. Dabei erinnert sie sich vor allem an die vielen Unfälle - auf der Straße, aber mehr noch auf Baustellen. Da war der 26-Jährige, dem kurz vor Weihnachten ein umstürzender Kran den Arm völlig zerquetscht hatte. Oder der Arbeiter, der mit kaputtem Bein und ohne Versicherung im Krankenhaus lag.
„Nie vergessen werde ich eine andere Begebenheit“, blickt sie zurück auf ein Ereignis aus der Zeit vor dem EU-Beitritt. Damals mussten tschechische Arbeitnehmer täglich über die Grenze pendeln und durften nicht in Deutschland wohnen. Deshalb war ein 30-jähriger Mann auf dem Heimweg von der Arbeit im Steinbruch vor Übermüdung kurz am Steuer eingeschlafen und in das Auto einer Frau und ihrer drei Kinder gerast. Die Mutter starb, ihre Kinder wurden schwer verletzt. „Nun musste ich ihm im Krankenhaus diese Nachricht überbringen. Es war schrecklich. Der Mann hat so geweint“, erzählt sie voll Mitgefühl.
Doch auch trotz solcher Erlebnisse ist die 61-Jährige, die im Zuge des Prager Frühlings 1968 nach Passau kam und einen Deutschen heiratete, von ihrer ehrenamtlichen Arbeit begeistert: „Hier kann ich sehr vielen Menschen helfen, es ist aber auch wahnsinnig interessant. Außerdem kriege ich selbst von den Leuten ja auch was zurück. Zu manchen habe ich noch heute Kontakt, auch Freundschaften sind so entstanden“