Hilfsprojekt Dindefelo
Thema: Entwicklungszusammenarbeit, Eine Welt, Jugend
M1: PNP, 02.04.2019, Nr. 78, S. 35
Das Klassenzimmer im afrikanischen Busch
Realschüler aus Schweiklberg und Neustift beim Hilfsprojekt "Dindefelo" dabei – Stipendien für 17 Studenten
von Helmut Rücker
Vilshofen. Welche Träume haben Schüler, die in Dindefelo (Senegal) kurz vor dem Abitur stehen? Sieben Schweiklberger Realschüler und vier Schülerinnen der Mädchen-Realschule Neustift haben sie während einer neuntägigen Reise zum Hilfsprojekt "Dindefelo" befragt und anschließend darüber referiert. Vor den strohbedeckten Hütten, in denen sie schliefen, haben sie erzählt, aus welchen Familien die jungen Damen und Männer stammen, wie beschwerlich ihr Weg zur Schule ist und welchen Beruf sie anstreben. Die 17-jährige Alina wurde von ihrem Interview-Partner sogar gefragt, ob sie ihn nicht heiraten möchte.
Bei der Reise wurden die großen kulturellen Unterschiede deutlich. Kommen die jungen Afrikaner nach teilweise einstündigem Fußmarsch von der Schule wieder heim, müssen sie Wasser oder Holz holen, die Tiere versorgen oder sich ums Essen kümmern. Ihre Familien sind arm, "und trotzdem sind die Menschen so lebensfroh, wirken glücklicher als wir, die wir alles im Überfluss haben", stellte der Schweiklberger Schüler Edwin Derr fest. Was bei den Gesprächen zwischen Senegalesen und Deutschen auch klar wurde: Lernen wird bei den jungen Afrikanern nicht als Last oder Pflicht empfunden, sondern als Chance für eine bessere Zukunft.
Bildung steht auf der Prioritätenliste ganz obenDas von Helmuth Rücker mit Hilfe der beiden Rotary Clubs Passau Dreiflüssestadt und Vilshofen initiierte Hilfsprojekt hat in zehn Jahren Klassenzimmer und Schultoiletten gebaut, sich um Brunnen gekümmert und die Krankenstation saniert. Frauen werden in ihrer tragenden Rolle gestärkt, es wird an dem Ziel gearbeitet, den Ort müllfrei zu bekommen. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht die Bildung. Bücher wurden gekauft, ein Internet-Anschluss finanziert, Schulmöbel angeschafft, ein neues Kopiergerät ermöglicht. Erstmals umgesetzt wurde die Idee von Stipendien für Studenten.
Seit vier Jahren ist es möglich, in dem abgelegenen Ort – es sind 750 Kilometer bis zur Hauptstadt Dakar – Abitur zu machen. Mehr als 50 Studierende aus der Kommune Dindefelo (10 000 Einwohner) sind an der Uni in Dakar, Thies oder Saint-Louis. Die Voraussetzungen sind denkbar schlecht. Da die Eltern – meist noch Analphabeten – arm sind, können sie die Lebenshaltungskosten von 50 Euro im Monat nicht aufbringen.
Vor der Reise fanden sich in Passau, Vilshofen und Fürstenzell Unterstützer, die bereit waren, ein Stipendium zu finanzieren. Mit 500 Euro im Jahr ist jedem Studenten enorm geholfen, wie sie bei einem Treffen berichteten. In 16 m² großen Zimmern schlafen bis zu zwölf Personen. Gelernt wird notgedrungen auch im Freien. Die meisten wollen Lehrer werden, der verdient immerhin bis zu 250 Euro im Monat. Andere wollen ins Bankenwesen oder in die Wirtschaft.
"Mit einer qualifizierten Bildung tun sich Perspektiven auf", ist Helmuth Rücker überzeugt. Seine Hoffnung: Die Menschen in Dindefelo sehen eine Zukunft in ihrer Heimat. Das haben viele Menschen in den Gesprächen bestätigt. Dabei kommt es nicht immer auf einen universitären Abschluss an. Frauen aus dem Dorf haben gezeigt, dass sie mit dem Anbau von Gemüse in einem riesigen Gemeinschaftsgarten Erfolg haben. Das wollen nun die Männer nachmachen. Ermöglicht wird dies durch eine Aktion von Robert Grabler, 2. Bürgermeister in Aidenbach. Bei seiner Feier zum 50. Geburtstag bat er die Gäste um Spenden. 2000 Euro übergab er während der Reise an Vertrauensmann Carim Camara als Startschuss für einen Gemüsegarten für junge Männer, die keine oder eine mangelhafte Schulausbildung haben. Begonnen wird mit einem Hektar.
"Afrika ist anders, als wir uns das v orgestellt hatten"Einhellige Meinung der elf Realschüler in der 20-köpfigen Reisegruppe: "Afrika ist anders, als wir uns das vorgestellt hatten. Man muss es gesehen haben." Sie spürten die Hitze von 40 Grad bei einer kleinen Bergtour, genossen die Kühle eines Wasserfalls mitten in der Wildnis, hatten keine Probleme mit dem Essen, lernten das Trommeln am Ufer des Gambia-Flusses, überstanden die Strapazen der langen Reise und tanzten ausgelassen bei den Festen, die es fortlaufend gab. Als die Weiterfahrt wegen eines umgefallenen Lastwagens nicht möglich war, überbrückten sie mit einem Gruppentanz die Zwangspause. Die Afrikaner zückten die Handys zum Filmen. So etwas hatten sie noch nicht erlebt.
Das sagten die Schüler auch – und meinten damit die ganze Reise. Einige deuteten an, das sei nicht ihre letzte Reise in den afrikanischen Busch gewesen. Für Peter Niedermeier (50) aus Passau, in jungen Jahren weitgereist, war es die bisher wertvollste Reise. "In zwei Jahren fahre ich wieder hin – und nehme die ganze Familie mit."
M2: PNP, 02.04.2020, Nr. 78, S. 35
Wie die Hilfe in Dindefelo ankommt
21-köpfige Reisegruppe beteiligte sich am Hilfsprojekt im Senegal – Der Schwerpunkt liegt bei der Bildung
von Helmut Rücker
Vilshofen. Drei Tage lang ging es bei sengender Hitze (42 Grad im Schatten) durch das afrikanische Dorf Dindefelo, da ist Christa Jungwirth (63) froh, sich in den Schatten eines Mango-Baums setzen zu können. "Mir war klar", sagt die ehemalige Leiterin der Berufsschulen Vilshofen, "dass dem Dorf Dindefelo geholfen wird – aber dass die Hilfe so umfassend ist, überwältigt mich." Sie hat gerade die beiden Schulen und den Kindergarten besucht. Es ging um Kontrolle, was mit dem Geld vom letzten Jahr passiert ist, und um die Unterstützung neuer Projekte.
Thema Kontrolle: Im vorigen Jahr wurden 2500 Euro überreicht, damit beim College und Gymnasium ein Wasser-Hochbehälter errichtet werden kann. Der Direktor führt die Gruppe aus Vilshofen und Passau an einen Wasserhahn am Rande des Schulhofs. "Seitdem die Kinder sich hier Trinkwasser holen können, haben sich die schulischen Leistungen deutlich verbessert", erzählt er. Jungwirth kann das nachvollziehen: 40 bis 60 Schüler in einem Klassenzimmer bei tropischen Temperaturen – da braucht das Hirn Flüssigkeit.
Nächste Kontrolle: In der Grundschule wurden die Fußböden von zwei Klassenzimmern mit Hilfe der "Mission Dindefelo" gefliest. Was das bedeutet, ist in den anderen Räumen zu sehen: große Löcher im Boden. Die mitgereiste Lehrerin Waltraud Schönig (56) aus Fürstenzell nimmt sich vor: "Darum kümmere ich mich. Ich rege in meiner Schule in Pfarrkirchen eine Patenschaft an." Veronique Coiffet (51), die vom Französischen ins Deutsche übersetzt, hat für die Gymnasiasten fünf Mikroskope mitgebracht. Ein Traum wären 20 Laptops, damit die Abiturienten aus Dindefelo mit den anderen aus besser ausgestatteten Schulen mithalten können.
Thema neue Projekte: Jährlich werden der Krankenstation 1500 Euro übergeben – für den Einsatz der Hebammen-Hilfe und für den Kauf von Medikamenten. Dieses Jahr hat man einen anderen Wunsch. Statt der Medikamente sollen Gutscheinhefte gekauft werden. Das Gesundheitssystem sieht vor, dass jede Familie damit ärztliche und medizinische Leistungen in Anspruch nehmen kann. Doch das Jahresheft kostet 8 Euro – was sich viele Familien nicht leisten können. Dank der Spenden aus der Region Passau und Vilshofen werden 120 Familien damit beglückt.
Und so geht es in den drei Tagen, in denen sich die 21-köpfige Reisegruppe um Projektleiter Helmuth Rücker (62) in Dindefelo aufhält, weiter: Was ist aus dem Acker geworden, was aus dem Sozialfonds für Witwen? Benedikt Stirner (16), Ex-Schweiklberger Schüler und zum zweiten Mal dabei, hat einen Vergleich. "Im letzten Jahr stand die Berufsschule im Rohbau da – heute ist sie fertig, sieht super aus und wir haben ein Sponsorenschild an die Wand nageln können." Hier werden bald Schreiner, Metallbauer und Elektriker ausgebildet. Nebenan soll ein Internat entstehen, damit die Schüler nicht kilometerweit zur Schule laufen müssen. Das Geld dafür kam mit dem Spendenlauf der Schweiklberger Realschule zusammen.
Neun Erwachsene und zwölf Jugendliche (überwiegend Schülerinnen der Neustifter Realschule) hatten sich in den Faschingsferien auf die Mission Dindefelo begeben. Die Reise ist anstrengend, denn nach den Flügen von München über Lissabon nach Dakar geht es in einem beengten Bus 800 Kilometer ins Landesinnere. Doch auf der Fahrt quer durchs Land gibt es erste Eindrücke von der fremden Kultur. Der viele Müll am Wegesrand, die bettelnden Kinder in den Straßen der Städte, die flirrende Hitze bei der Pinkel-Pause, das Frühstück auf dem Bürgersteig – und dann beim spontanen Stopp in einem Dorf die unbändige Lebensfreude und Gastfreundschaft der Menschen. Kinder freuen sich über Luftballons mehr als die deutschen über ein neues Smartphone, sie wollen jedem Weißen die Hand halten und plötzlich wird sogar getanzt. "Wahnsinn, wie gut die drauf sind, obwohl sie nichts haben", staunt die Schülerin Nadine Härtl (16).
Dindefelo wirkt auf den ersten Blick wie eine heile afrikanische Welt: Die Straßen sind nach jahrelangen Bemühungen nun sauber, es ist trotz der Trockenzeit verhältnismäßig grün, es gibt diesen mystischen Ort mit einem hohen, feinen Wasserfall, und beim zehn Kilometer entfernten "Feriendorf" Afia, wo die Gruppe untergebracht ist, gibt es traditionelle Hütten, vereinzelt sogar mit Nasszelle, vor allem aber den Blick auf den Gambia-Fluss.
Den Höhepunkt der Reise gibt es kurz vor dem Rückflug. Im vorigen Jahr wurde damit begonnen, Stipendien an jene zu vergeben, die aus Dindefelo kommen und in Dakar studieren möchten. Den Studenten hilft es ungemein, mit 50 Euro pro Monat ein Studium zu absolvieren. 17 Stipendien waren es im vorigen Jahr, die Zahl konnte heuer auf 37 erhöht werden. Überwiegend Rotarier, aber auch angesprochene Bürger erklärten sich bereit, 500 Euro pro Jahr zu zahlen, um damit einen jungen Menschen zu fördern. Die Stipendien wurden am Strand von Mbour feierlich überreicht.
Carim Camara (45), die Vertrauensperson von Helmuth Rücker, tippte diesen an, als er die 37 Studenten vor sich sitzen sah. "Helmuth" meinte er, "vor 20 Jahren war ich der erste Abiturient von Dindefelo und habe mit Schwierigkeiten studieren können. Dank dieser Ausbildung und dank eurer Hilfe habe ich das Dorf voranbringen können. Wenn diese 37 Studenten in zehn Jahren nur halb so weit sind, steht uns in Dindefelo eine gute Zukunft bevor." Rücker versprach, weiterhin um Stipendien zu werben, "denn Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg – für den Einzelnen und für die Gemeinschaft".
M3: Bilder der Realschüler aus Schweiklberg und Neustift in Dindefelo
M4: Bilder der Reisegruppe aus Passau und Vilshofen in Dindefelo
M5: Didaktische Impulse
1. Schreibt einen Brief aus der Sicht eines Schülers aus Dindefelo an die Schüler aus Deutschland, die Dindefelo besucht haben. Geht in dem Brief darauf ein, wie der Schüler/die Schülerin den Besuch der deutschen Schüler erlebt hat.
2. Sucht in der Zeitung und im Internet nach Hilfsprojekten in eurer Umgebung. Überlegt in Gruppen, wie eure Schule diese Projekte unterstützen könnte. Sammelt in eurer Gruppe die Ergebnisse auf einem Plakat und stellt es anschließend in der Klasse vor.
3. Der Kolonialismus des 19. und 20. Jahrhunderts stellt eine historische Bürde für Hilfsprojekte für die Eine Welt dar. Unser Bild von Entwicklungsländern ist nicht immer frei von Stereotypen und Vorurteilen, die von einem Überlegenheitsdenken geprägt sein können.
Untersucht den Text daraufhin, wo Wertschätzung für die Menschen in Dindefelo zum Ausdruck kommt, aber auch, wo evtl. eine typische westlich-eurozentrische Sicht deutlich wird!