Helferinnen_Pfarrkirchen
Thema: Hilfsbereitschaft, Nächstenhilfe
M1: PNP, 01.12.2012, Nr. 278, S.10
"Ohne sie wäre ich in ein Loch gefallen"
Pfarrkirchnerin schlägt vier Unfall-Helferinnen als "Kavaliere der Straße" vor − Offizielle Auszeichnung im Januar 2013
von Ariane P. Freier
Pfarrkirchen. "Ich hatte ein ganzes Team von Schutzengeln", sagt Rosemarie Wimmer aus Pfarrkirchen. Eine reine Damenmannschaft wohlgemerkt. Denn als die 74-Jährige am 18. Oktober dieses Jahres auf der Bundesstraße von Pfarrkirchen nach Simbach von der Fahrbahn abkommt und eine Böschung hinab gegen einen Baum rast, sind es vier völlig fremde Frauen, die ihr wie selbstverständlich beistehen: Melanie Sprenzinger (34) aus Postmünster, Martina Gillhuber (38) aus Stammham, Monika Moser-Deck (41) aus Dietersburg und deren Schwester Theresia Moser (46) aus Postmünster (alle Lkr. Rottal-Inn).
Rosemarie Wimmer, ehemalige Mitarbeiterin der Landwirtschaftlichen Berufsschule, weiß nur noch, dass sie − von der Mittagssonne geblendet − "auf einmal nichts mehr sehen" kann. Sie steht unter Schock, als die ersten beiden Helferinnen eintreffen. "An der Bergkuppe bei Edermanning war sie in der Rechtskurve wie ferngesteuert schnurgeradeaus gefahren, knapp an einem Baum vorbeigeschrammt und kurz danach gegen einen anderen geprallt", erinnert sich Martina Gillhuber, die am Unfallort die Tür des Unfallwagens aufreißt. Sie hatte an einen Herzinfarkt gedacht. Das Unfallopfer ist zum Glück nicht bewusstlos, klagt aber über Schmerzen.
Durch den Aufprall ist der Airbag aufgesprungen, irgendetwas am Mercedes der A-Klasse raucht. "Brandgefahr bestand nicht, daher haben wir Frau Wimmer sitzen lassen", sagt Martina Gillhuber, die schon öfter bei Unfällen geholfen, aber noch nie so viel Dankbarkeit geerntet hat wie von Rosemarie Wimmer. Die PNP-Zeitungsausträgerin wollte gerade ihre Vertretungstour beenden und zum Geburtstag ihres Freundes fahren, "doch wenn so was passiert, geht das natürlich immer vor."
Melanie Sprenzinger stößt nur wenige Sekunden später zu ihr. Die junge Krankenschwester hat ihren Sohn im Auto gelassen und beginnt ebenfalls, Rosemarie Wimmer zu beruhigen, fühlt den Puls, kontrolliert die Verunglückte auf Wunden und Brüche. "So wie das Auto aussah, hätte Frau Wimmer tot sein können." Für die Frauen ist ganz klar, dass sie bis zum Eintreffen von Polizei und Sanka warten und als Zeuginnen bereitstehen. "Frau Wimmer war so aufgeregt, sie wollte nicht mal, dass wir ihren Sohn benachrichtigen, und hat dauernd gefragt, was mit dem Auto ist", sagt Melanie Sprenzinger. Das bleibt mit Totalschaden auf der Strecke.
Fast gleichzeitig sind die Krankenschwester Monika Moser-Deck und Theresia Moser, landwirtschaftliche Betriebshelferin, die eigentlich zu einem entspannten Einkaufsbummel wollen, an den Waldrand geeilt. Auch sie haben die Szenerie verfolgt: "Unfassbar." Es bedarf nur weniger Blicke, um zu wissen, was zu tun bleibt: Polizei und Rettungswagen alarmieren, die Unfallstelle sichern.
"Für uns war das Zupacken keine große Sache", sagt Theresia Moser bescheiden. Für Rosemarie Wimmer, die seit fast 50 Jahren eine versierte Autofahrerin ist und noch nie in einer ähnlichen Situation war, allerdings schon: "Ohne die Helferinnen wäre ich mit Sicherheit in ein psychisches Loch gefallen. Sie haben mich durch ihre sofortige Aktivität, sowohl mental als auch körperlich, wieder stabilisiert. Dafür bin ich ihnen von Herzen sehr dankbar."
Noch vor dem Transport ins Krankenhaus lässt sie sich die Namen und Telefonnummern geben. Doch bei einem Blumenstrauß und einer Flasche Sekt für jedes "Kleeblatt" will es die Seniorin nicht belassen: "Diese vier Frauen waren meine Kavalierinnen der Straße − selbstlos, selbstverständlich und besonnen. Ihr Handeln ist des öffentlichen Lobes wert."
In einem Brief an die Passauer Neue Presse schlägt Rosemarie Wimmer die Helferinnen als "Kavaliere der Straße" vor. Der Vorschlag wurde an den Verleihungsausschuss der bundesweiten Aktion weitergeleitet − und dieser hat bereits grünes Licht signalisiert. Im Januar sollen Melanie Sprenzinger, Martina Gillhuber, Monika Moser-Deck und Theresia Moser mit Plaketten, Urkunden und Ehrennadeln der Arbeitsgemeinschaft "Kavalier der Straße" sowie je einer PNP-Überraschung ausgezeichnet werden. "Das ist echt schön", sagt Martina Gillhuber stellvertretend für alle. "Es ist ja eher außergewöhnlich, dass sich jemand meldet und sich bedankt."
Als "Kavalier der Straße" ausgezeichnet werden Verkehrsteilnehmer, die sich besonders rücksichtsvoll und partnerschaftlich verhalten. Sie sollen als Vorbilder andere Autofahrer, Fußgänger, Radfahrer oder Motorradfahrer anregen, in Notlagen ebenfalls zu helfen − anstatt zu- oder wegzuschauen. Wer einen "Kavalier der Straße" kennt, kann ihn mit einer Schilderung seiner Hilfsleistung melden an: PNP, Kavalier der Straße, Medienstraße 5, 94036 Passau; 0851/802364; Mail: ariane.freier@pnp.de oder unter http://www.kavalier-der-strasse.com/formular.php.. Die ungewöhnlichsten Hilfsfälle werden bei der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft "Kavalier der Straße" 2013 ausgezeichnet.
M2: Bilder
M3: Didaktische Impulse
- Diskutiert, ob Ihr in derselben Situation ähnlich reagieren würdet. Begründet Eure Argumente!
- Nennt Gründe, warum Ihr die oben genannten Damen ebenfalls für den Titel "Kavaliere der Straße" vorschlagen würdet!
- Reflektiert über das Handeln der Frauen: Welche Eigenschaften zeichnen solche Charaktere aus? Was könnt Ihr von Ihnen lernen?
- Formuliert einen Dankesbrief an die Helfer!