Haselböck, Johanna
Thema: Ehrenamt, Freiwilligendienst, Jugend, Sozialarbeit, Zivildienst
M1: PNP, 01.04.2014, Nr. 21
Tausche Bücherberg gegen Freiraum
Warum Freiwilligendienst heute nicht nur "irgendwas mit Kirche" ist, sondern eine Option
von Maria Christoph
Erstmal tief Luft holen. Für Simon Gölzhäuser (18) und Johanna Haselböck (19) ist das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) keine vergeudete Zeit, sondern eine Zeit, in der die beiden an Persönlichkeit, Erfahrungen und neuen Freundschaften gewonnen haben.
Das achtjährige Gymnasium drückt das Absolventenalter seit Jahren. Dass auf dem scheinbar vorgezeichneten Weg Schule – Studium – Beruf manchmal auch eine "Auszeit" nötig ist, bestätigt Simon Gölzhäuser: "Meine Bekannten haben auch erst gesagt, es wäre ein verschenktes Jahr. Ich sehe das überhaupt nicht so. Man hat viele "Aha-Erlebnisse", die man später nicht mehr machen muss." Mit 18 Jahren ist Simon ein junger Mann mit klaren Vorstellungen. Das war aber nicht immer so. Sein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) ist gespickt mit Erfahrungen und Erlebnissen, die ihm heute die Chance einer Orientierung bieten und keiner Schulveranstaltung gleichkamen. "Ich musste mich damals zwingen, über das nachzudenken, was nach der Schule kommt. Es war einfach keine Zeit beim Lernen."
Laut einer Studie des Deutschen Roten Kreuzes sind 82 Prozent der FSJler unter 18 Jahren. Auch für die heute 19-jährige Johanna Haselböck war es zu früh, direkt nach dem Turbo-Abi ins Studium einzusteigen: "Ich war einfach noch nicht so weit, dass ich sagen konnte, jetzt geht’s los." Sie fühle sich nach diesem Jahr schon sehr viel selbstständiger und selbstbewusster: "In der Schule war ich immer unsicher, wenn ich ein Referat halten musste. Jetzt kann ich frei vor Leuten sprechen, ohne Angst zu haben." Zu ihren Aufgaben gehört es, bei so genannten "Tagen der Orientierung", Gruppen von Acht- und Neuntklässlern anzuleiten, wobei sie auch selbst viel Verantwortung schultern muss. In den Einheiten werden dann Themen wie Liebe und Partnerschaft, Gemeinschaft und Ich-Identität behandelt, deren Inhalte natürlich auch selbst prägen. Beim Kirchlichen Jugendbüro Passau wurde ihr der Raum zur Entwicklung gegeben, der während der Schulzeit relativ eingeschränkt wurde.
Und doch bleibt das FSJ für die meisten Gymnasial-Absolventen keine Option. Skeptisch wegen der kirchlichen Trägerschaft seien die meisten, meint Simon, oder sie befürchteten, als Langweiler abgestempelt zu werden. Das wüssten die beiden jetzt eben besser, sagt Johanna. Denn nebenbei gewinne man wertvolle neue Freundschaften. Innerhalb des FSJ unter der Trägerschaft der Diözese treffen sich die "Neuen" fünf Wochen über das Jahr verteilt, fahren gemeinsam fort und lernen in Seminaren, miteinander richtig umzugehen und zu arbeiten. 25 solcher Schulungstage wechseln sich während der vorgeschriebenen zwölf Monate mit der alltäglichen praktischen Arbeit von 39-Wochenstunden ab. "Bei unserer großen Gemeinschaft kommt einem die Arbeit aber gar nicht mehr wie Arbeit vor" erzählt sie.
Und wie geht es weiter? Das Jahr ist fast vorüber und jetzt ist es Zeit für den nächsten Schritt, sagt Simon. "Ich habe Abstand zum Lernen gewonnen und möchte ab Oktober etwas in Richtung Technik und Informatik studieren." Für Johanna steht es auch fest: "Das war ein tolles Jahr, ich habe daraus sehr viel gelernt und meine Schlüsse gezogen." Johanna will im Bereich der kirchlichen Jugendarbeit bleiben und bewirbt sich um einen Studienplatz für Erziehungswissenschaft an der Uni Regensburg. "Das hätte ich vor einem Jahr noch nicht gewusst".
Studienmesse und organisierte Unternehmensführungen hin oder her, was wirklich zähle, sei doch die eigene Erfahrung, und um die selbstständig machen zu können, benötige man eben genügend Zeit. Eine Zeit, die den beiden jetzt ohnehin niemand mehr nehmen kann.
M2: Bild von Johanna Haselböck und Simon Gölzhäuser
M3: Didaktische Impulse
1. Finde Argumente für und gegen ein Freiwilliges Soziales Jahr. Beziehe dich dabei auf Belegstellen aus dem Text.
2. Formuliere zu einer der folgenden Konfrontationen eine Erwiderung aus der Sicht von Johanna und Simon:
a) Deine Eltern sprechen sich gegen die Ableistung eines Freiwilligen Sozialen Jahres aus. Sie sind der Meinung, du sollst sofort nach dem Abschluss eine Ausbildung oder ein Studium beginnen und keine wertvolle Zeit verschwenden.
b) Deine Freunde halten es für "uncool" freiwillig in einer kirchlichen Einrichtung zu arbeiten.