Hartl, Herbert
Thema: Entwicklungszusammenarbeit, Nächstenhilfe, Unternehmer
M1: PNP, 25.06.2015, Nr. 143, S.9
Chef der Herzen: Oberösterreicher stellt spontan Obdachlosen ein
von Jessica Hirthe
Diese Geschichte geht zu Herzen und rührte hunderttausende Facebook-Nutzer: Mit seinem spontanen Jobangebot für einen obdachlosen Tschechen wurde ein junger Tischlerei-Unternehmer jetzt zu Österreichs beliebtestem Chef und zum Internet-Star.
"Vor einer Woche war mein Leben noch nicht so schön", sagt der 46-jährige Tscheche Miroslav Sova. Jetzt ist er Hilfsarbeiter bei der Tischlerei Hartl in Unterweitersdorf im oberösterreichischen Mühlviertel und verdient 1250 Euro – für ihn ein kleines Vermögen. Außerdem wird ihm auch noch ein Hotel gezahlt, so dass keine Kosten für eine Wohnung anfallen. Vor wenigen Tagen war der Mann noch obdachlos, schlief in einer Bushaltestelle, lebte jeden Tag von der Hand in den Mund.
"Ich suche seit sechs Monaten Arbeit", so sprach Sova Herbert Hartl an einer Tankstelle mit zittriger Stimme an. "Mich will keiner. Ich kann mir nichts zu essen und trinken kaufen. Sucht die Tischlerei, in der du arbeitest, Mitarbeiter?" Was er zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Herbert Hartl ist der Chef besagter Tischlerei und hat ein großes Herz. Spontan bot der 31-Jährige dem Tschechen einen Job an und quartierte ihn in einem Hotel ein.
Hartl postete die Story auf der Facebook-Seite seiner Firma und löste einen wahren "Candystorm" (Bonbonregen) aus: Mehr als 200.000-mal wurde seither die berührende Geschichte mit "Gefällt mir" markiert, zehntausendfach geteilt, in Hartls Posteingang liegen tausende Nachrichten: "Ein Chef mit Herz am rechten Fleck", ist da zu lesen. Oder: "Ich kann das großartige Engagement kaum in Worte fassen." Auch: "Mein Weltbild ist wieder zurechtgerückt." Und: "Da können sich viele was abschauen!"
Doch auch Neider ließen nicht lange auf sich warten: Sie werfen Hartl im Netz vor, die Geschichte wäre nur ein Marketing-Gag gewesen: "Diese Unverschämtheit würde ich mir nicht erlauben und mit den Gefühlen von Menschen spielen", sagt Hartl. Seine Motivation für die Spontanaktion: "Ich bin selbst in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, in schwierigen Zeiten stand mir auch jemand zur Seite, das wollte ich jetzt auch tun."
M2: Bild von Herbert Hartl
M3: Didaktische Impulse
1. Herbert Hartls Reaktion ist nicht selbstverständlich. Es gibt viele Arbeitslose, Obdachlose, Bettler auf der Straße,... . Hast du schon Situationen erlebt, in denen jemand einem bedürftigen, armen Menschen geholfen hat? Oder sind die meisten Leute einfach achtlos an ihnen vorbeigegangen? Tausche dich mit deinem Banknachbarn aus.
2. Überlegt euch gemeinsam, warum viele Menschen bei bettelnden Menschen lieber wegsehen statt zu helfen. Haltet eure Gründe in je einem Stichwort fest und ordnet sie zu einer Wortpyramide an! (Der wichtigste/wahrscheinlichste Grund steht ganz oben)
3. Setzt euch in 4er-Gruppen zusammen und spielt die Situation von Herbert Hartl mit verschiedenen Rollen durch:
- "Der Obdachlose Miroslav Sova", der an einer Tankstelle um einen Job bittet
- "Der Tankstellenbesitzer", der entnervt und wütend reagiert, als er den Obdachlosen den 4. Tag infolge sieht und deshalb um seine Kundschaft fürchtet ("Wenn die Leute dich hier weiter rumsitzen sehen, kommt bald keiner mehr in meine Tankstelle!")
- "Herbert Hartl", der von dem Obdachlosen an der Tankstelle angesprochen wird
- "Ein Kunde", der den Obdachlosen abfällig betrachtet und Herbert gegenüber einfach behauptet, dass er ihn gestern Abend sichtlich angeheitert in einer Kneipe angetroffen habe und er versucht habe, Geld zu klauen, um bezahlen zu können ("Als ob DER arbeiten wollte - der tut doch bestimmt nur so, so wie alle anderen!")
Wenn ihr mit dem Rollenspiel durch seid, macht euch abschließend Gedanken über folgende Fragen:
Ist die Entscheidung von "Herbert" nun anders ausgefallen als im wirklichen Fall?
Inwieweit haben der Tankstellenbesitzer und der Kunde letztendlich "Herberts" Entscheidung beeinflusst?
Könnt ihr daraus auch im Allgemeinen Schlüsse ziehen, inwiefern ihr bei Entscheidungen jeglicher Art (un-)abhängig von euren Mitmenschen seid?