Harmssen, Dirk
Thema: Behinderung, Kinder
M1: PNP, 21.07.2018, Nr. 167, S. 8
Ein Landshuter rührt ganz Bayern
Dirk Harmssen zahlte die Zeche für behinderte Kinder – Vor Monaten wurde er selbst vom Schicksal schwer gebeutelt
von Alexander Schmid
Landshut. Fünf mit Kugelschreiber gekritzelte Zeilen auf einem Zettel und eine herzerwärmende Geste bewegen ganz Bayern. Am Dienstag hatte ein Gast in einem Lokal in Straubing die Zeche für eine Gruppe von zehn behinderten Kindern und deren Betreuern übernommen. "Vielen Dank, dass sie sich um diese außergewöhnlichen Kinder kümmern", hatte er auf einen Zettel gekritzelt, darunter nur seine Initialen "d. h." gesetzt. Der Gruppe der Straubinger Bildungsstätte St. Wolfgang hat er damit eine große Freude bereitet. Die beiden Buchstaben stehen für Dirk Harmssen. Der Unternehmer aus Landshut und seine Familie wurden Anfang des Jahres von einem schlimmen Schicksalsschlag schwer gebeutelt. Seitdem sieht er die Welt mit anderen Augen.
Tochter Mila litt an Trisomie 18Die Haare zu einem Zopf zusammengebunden, ein breites Lächeln im gebräunten Gesicht. Der 39-Jährige sieht nicht so aus wie jemand, der eine Krise durchlebt hat, an der viele Menschen zerbrechen. Anfang des Jahres haben er und seine Frau ihre vier Monate alte Tochter Mila verloren. "Sie war schwer krank, litt an Trisomie 18." Eine schwere und unheilbare Entwicklungsstörung. Viele Kinder sterben noch während der Schwangerschaft.
"Das war definitiv die schwerste Zeit in meinem Leben", sagt der 39-Jährige. Der Schicksalsschlag stellte das Leben seiner Familie, Harmssen und seine Frau haben noch vier weitere Kinder im Alter zwischen drei und 16 Jahren, komplett auf den Kopf.
Weil er nach Milas Geburt rund um die Uhr für die Familie da sein musste, vernachlässigte er sein Unternehmen. Das Bettenhaus Seebauer in Dingolfing, das er 2010 übernommen hatte, musste er deshalb abgeben. Zwar hat der 39-Jährige noch weitere Filialen, das Bettenhaus Burger in Straubing und eine Seebauer-Filiale in Eching-Weixerau. Doch das Geschäft in Dingolfing war für Harmssen etwas Besonderes. "Es war mein erstes eigenes Geschäft. Emotional war es mir das liebste. Wir haben sogar den Innovationspreis gewonnen. Das tut umso mehr weh." Doch das ist Vergangenheit. Der 39-Jährige und seine Frau haben nicht aufgegeben, die schwere Zeit gemeinsam durchstanden. Spuren hat die Krise natürlich trotzdem hinterlassen.
"Es hat mich zutiefst beeindruckt, wie die Betreuer sich in dem Burger-Restaurant um diese Kinder gekümmert haben", sagt er. Wie sie ihr eigenes Essen stehen gelassen hätten, um sich zuerst um ihre Schützlinge zu kümmern. Und auch das ist Harmssen aufgefallen: "Einigen Gästen war die Situation sichtlich unangenehm. Ein Pärchen an einem anderen Tisch hat sich sogar weggedreht."
"Ich hoffe, dass auch andere auf die Idee kommen" Das war der Moment, wo er den Entschluss fasste, der Gruppe eine kleine Freude zu bereiten. "Die waren so mit sich selbst beschäftigt, da wollte ich nicht stören", erklärt er seine anonyme Botschaft. Er bat den Kellner, die Zeche auf seine Rechnung zu schreiben und die Notiz zu übergeben.
Dass die Aktion bayernweit ein Echo in den Medien auslösen würde, sein Name bekannt würde, damit hatte er nie und nimmer gerechnet. Bekannte hatten aber die Handschrift auf dem Zettel erkannt, und seinen Namen in den sozialen Medien öffentlich gemacht. Über die positiven Reaktionen freut sich Harmssen, doch so richtig wichtig ist ihm etwas anderes: "Ich hoffe, dass andere auch auf so eine Idee kommen. Man muss anderen auch etwas gönnen können. Geben ist wirklich seliger als Nehmen."
M2: Bild von Dirk Harmssen
M3: Didaktische Impulse
1. Schreibt einen Dankesbrief an Herrn Harmssen mit Argumenten, was ihr an seiner Geste - gegenüber der Gruppe von behinderten Kindern und deren Betreuern - schätzt.
2. Du bekommst mit, dass einige Leuten am Nachbartisch abwertend über eine Gruppe von Behinderten, die ebenfalls im Lokal sind, sprechen. Wie könntest du in einer solchen Situation reagieren? Überlegt euch einige Ideen und besprecht diese in der Gruppe. Notiert diese anschließend auf einem Plakat und stellt sie vor der ganzen Klasse vor.