Gierg, Cosima
Thema: Freiwilligendienst, Kinder, Eine Welt, Aids
M1: PNP, 2017, Nr. 98, S. 37
Vier Wochen im Waisenhaus in Simbabwe
Studentin Cosima Gierg (21) aus Knadlarn kümmerte sich um die Kleinen und machte wertvolle Erfahrungen
von Gesine Hirtler-Rieger
Ortenburg. Das Essen, das auf dem Tisch steht, der Bus, der pünktlich fährt: Nichts davon ist selbstverständlich. Und das Glück, gesund zu sein und Eltern zu haben, schon gar nicht. Das klingt banal, sagt Cosima Gierg (21), doch so etwas muss man wohl am eigenen Leib erfahren, um es wirklich zu begreifen. Einen Monat lang hat die Psychologie-Studentin in Simbabwe mit Waisenkindern gearbeitet, etliche von ihnen sind an Aids erkrankt. Eine Zumutung im wahrsten Sinne des Wortes, die sie gestärkt hat.
"Etwas Sinnvolles machen"
Warum gerade Simbabwe, wo Hunger und Arbeitslosigkeit herrschen und ein Fünftel der Bevölkerung mit Aids infiziert ist? "Ich wollte nach Afrika und die andere Seite sehen, etwas Sinnvolles machen", erzählt Cosima, die im vierten Semester Psychologie in Salzburg studiert. Jetzt oder nie, dachte sie sich und begann zu suchen. Über Bekannte und private Kontakte stieß sie auf das Emerald Childrens Home in Simbabwes Hauptstadt Harare. Unter der Obhut einer Dominikaner-Schwester leben hier rund 80 Kinder, deren Eltern an Aids gestorben sind. Sie werden betreut, können in die Schule gehen, manche können sogar studieren. Wer Berührungsängste hat, ist fehl am Platz. Denn die Kinder und Jugendlichen hungern nach Zuwendung, nach Umarmungen und Trost. Vor einer Ansteckung mit Aids hat sich Cosima keine Minute lang gefürchtet: "Es gab auch nie eine Situation, die gefährlich hätte werden können."
Sie informierte sich vorab gut. Und kam dann aus dem Staunen nicht mehr heraus, als sie im Februar unten war. Beeindruckt war sie zunächst von der Disziplin, die dort herrschte. Denn die Waisen, zwischen drei und 21 Jahre alt, haben zum Teil Schlimmes erlebt, manche kämpfen mit depressiven Verstimmungen, andere werden schnell aggressiv. Doch die täglichen Pflichten übernahmen alle ohne zu murren: nach jeder Mahlzeit den Tisch abräumen, den Boden fegen und aufwischen. Um 20 Uhr gingen alle in die Schlafsäle, und um 21 Uhr herrschte wirklich Ruhe: "Das fand ich schon sehr erstaunlich." Und es funktionierte, ohne dass die Kinder bestraft oder gar geschlagen wurden.
Tägliche Zeremonie des Zubettgehens
Cosima Giergs Aufgabe war es, sich um die ganz Kleinen zu kümmern, mit ihnen zu spielen und den Tag zu gestalten. Schwierig war das nicht, die Kleinen wie auch die Großen akzeptierten sie sofort. Besonders berührend fand Cosima die tägliche Zeremonie des Zubettgehens. "Jedes einzelne Mädchen wollte umarmt und von mir hingelegt werden, egal wie alt es war. Die Jungs im anderen Schlafsaal waren ein wenig verschämter, aber auch sie wollten geherzt werden."
Eine heile Welt war es dennoch nicht. Denn nicht nur die Vergangenheit lastete auf den Kindern, sondern auch die ungewisse Zukunft. "Wenn du in Simbabwe keine Eltern hast und keinen Stamm, zu dem du gehörst, dann ist deine Identität brüchig – du bist ein Nichts." Zudem ist der Umgang mit Aids nach wie vor ein Tabu, was die Dinge nicht einfacher macht.
Von staatlicher Seite gibt es überhaupt keine Hilfe. Mugabe regiert das Land diktatorisch, das System ist durch und durch korrupt. Das Waisenhaus muss sich komplett durch Spenden selbst finanzieren. Für die Mitarbeiter heißt das, dass sie nie Sicherheit haben und dennoch unbeirrt ihrer Aufgabe nachgehen. Cosima bewundert sie: "Sie arbeiten nicht einfach, sie sind erfüllt von ihrer Berufung. Für mich sind sie Helden, ohne dass sie sich so sehen würden."
Auch bei den kurzen Besuchen in Harare hat sie viel Elend gesehen. Aufgefallen ist ihr der große Mangel an Bargeld. Wer Geld abheben will, muss tagelang, manchmal wochenlang auf die Auszahlung warten, jeder Schein ist Gold wert. Die Studentin war vorgewarnt und nahm ihr Geld in bar mit. Es sind diese Kleinigkeiten, die sich summieren und das Leben in Simbabwe so schwierig machen. Cosima hat viele Lehren aus ihrer Erfahrung mit Afrika gezogen. Eine davon ist: "Wenn sich heute bei uns jemand beschwert, dass etwas nicht gut funktioniert, dann kann ich das nicht ernst nehmen."
M2: Bilder von Cosima Gierg
M3: Didaktische Impulse
1. Vorurteile gegenüber Aids-Kranken
Ein Fünftel der Bevölkerung Simbabwes ist mit Aids infiziert, doch Cosima Gierg hat sich keine einzige Minute vor einer Ansteckung mit Aids gefürchtet. Allerdings sind die Angst vor Aids-Erkrankungen und Vorurteile gegenüber Aids-Kranken leider weit verbreitet. Diskutiert in 5er-Gruppen, welche Vorurteile ihr gegenüber Aids-Kranken/der Aids-Erkrankung kennt und findet gemeinsam Gründe, wodurch diese entstanden sein könnten. Gibt es Wege, solche Vorurteile aus dem Denken vieler Menschen "abzubauen"?
2. Nichts ist selbstverständlich
Cosima Gierg hat während ihres Aufenthalts in Afrika gemerkt, dass weder "das Essen, das auf dem Tisch steht, der Bus, der pünktlich fährt" noch "das Glück, gesund zu sein und Eltern zu haben", selbstverständlich sind. Überlege dir für dich allein, was alles Gute in deinem Leben nicht selbstverständlich ist und formuliere mit Bezug darauf einen kurzen Dankpsalm.