Gelbe Engel: gelebte Nächstenliebe
Thema: Hilfsbereitschaft, Nächstenhilfe, Eigeninitiative
M1: PNP vom 26.01.2007, Nr.21, S.27
"Was sie tun, ist gelebte Nächstenliebe"
Katholischer Frauenbund rief vor 25 Jahren Krankenbetreuungsdienst ins Leben - Festakt mit viel Musik und vielen Worten
von Helmuth Rücker
Wer schon einmal im Krankenhausbett lag, weiß wie lang ein Tag und wie lang eine Nacht werden können. Diese Einsamkeit wird am Passauer Klinikum unterbrochen: Zur Tür herein kommt ein gelber Engel. Das sind Frauen, die freiwillig und unentgeltlich Kranke besuchen. Sie bringen vor allem Zeit mit. Sie hören zu, trösten oder erledigen auf Wunsch kleine Besorgungen. Die gelben Engel, benannt nach ihren farbigen Kitteln, wurden vor 25 Jahren als Projekt des Katholischen Frauenbundes ins Leben gerufen. Gestern feierte man mit passender Musik vom Sponti-Chor und mit mehreren Reden im spectrum kirche das Jubiläum.
Mit neun Betreuerinnen wurde begonnen. Gertrud Salomon ist seit dem ersten Tag dabei und ist heute noch aktiv. Aktuell ist das Team 35 Betreuerinnen stark. Von Montag bis Freitag gehen drei bis vier Frauen zwischen 8 und 11.30 Uhr von Zimmer zu Zimmer.
Die Diözesanvorsitzende des Frauenbundes, Walburga Wieland, lobte den Einsatz der Frauen: „Ihr Dienst am Menschen ist gelebte Nächstenliebe.“ Ebenso sehr lobende Worte sprachen Pflegedirektor Peter Auer, Stadträtin Hildegunde Brummer und stv. Landrat Walter Taubeneder.
Christa Kölbl:
„Aus der Zeitung habe ich erfahren, dass es am Klinikum die gelben Engel gibt. Aus Neugierde bin ich zu dem Informationsabend hingegangen, und danach stand für mich fest: Das will ich machen. Ich habe zunächst einmal hospitiert. Das hat mir sehr gut gefallen, und so gehöre ich seit einem halben Jahr zu der Schar der gelben Engel. Meine Motivation? Ich will etwas Gutes tun, und hier habe ich die Möglichkeit dazu. Es ist - wie soll ich sagen? - die Liebe zum Menschen als solches, die mich das tun lässt. Es macht Freude, frischen Wind ins Krankenzimmer mit hinein zu bringen, mit einem fröhlichen ,Guten Morgen‘ Licht ins Zimmer scheinen zu lassen. Auch wenn ich noch nicht lange dabei bin, spüre ich sehr deutlich, wie es uns allen gelingt, die Einsamkeit der Kranken zu unterbrechen. Wenn ich im Klinikum vor einer Zimmertür stehe, weiß ich nicht, was mich dahinter erwartet: Frauen oder Männer, junge oder ältere Patienten, ein Beinbruch oder Krebs. Doch kaum stehe ich am Bett eines Patienten, spüre ich schnell, wer was braucht: Mal eine kleine Besorgung, mal nur Zeit. Ich komme mit Zeit zu ihnen, sage ich dem Betroffenen. Ich habe Zeit. Schwestern können diese Zeit nicht mehr aufbringen, dafür sind wir da. Die schönste Belohnung sind die strahlenden Augen, mit denen man verabschiedet wird. Dann weiß ich, warum ich das tue, auch wenn mir manches Schicksal schwer zu schaffen macht. Neulich kam ich zu einer Frau, die eine Chemotherapie mitmachen musste. Sie erzählte mir, dass man ihr gerade mitgeteilt habe, dass ihr Mann gestorben ist.“
Lia Weikl:
„Vor 22 Jahren, also 1985, habe ich meinen Dienst in der Krankenbetreuung begonnen. Ich halte ihn für so wichtig, dass ich heute noch jede Woche - immer dienstags - mich ins Klinikum aufmache und am Vormittag in die Zimmer gehe und die Kranken besuche. Ich wollte etwas Sinnvolles in meiner Freizeit tun, darum habe ich damit angefangen. Ich war selber einmal Patient und weiß, wie sehr man sich freut, wenn Besuch kommt. Zuhören ist das Wichtigste. Es ist so: Wo das Herz voll ist, läuft der Mund über. Die Patienten erkennen in uns die neutrale Person und erzählen uns Geschichten und Gedanken, die sie ihren Angehörigen gar nicht zumuten wollen, um sie auch nicht zu verängstigen. Die Hemmung, etwas zu erzählen, ist schnell weg. Mancher Besuch, manches Gespräch nimmt mich sehr mit: Wenn ich zum Beispiel erfahre, dass die junge Patientin an einem bösen Tumor leidet und sie ihre Situation als hoffnungslos ansieht. Wenn ich dann auf dem Nachttischkasterl die Fotos ihrer kleinen Kinder sehe, schnürt es mir das Herz zu. Wichtig ist, dass ich auch selbst mit dem Erfahrenen zurechtkomme, also mich und die eigene Familie damit nicht belaste. Beim Abendgebet schicke ich halt solche Sorgen eine Etage höher.
So lange es meine Gesundheit - ich bin 68 Jahre alt - zulässt, werde ich weiterhin einmal in der Woche ins Klinikum hinausgehen und mit einem zuversichtlichen ,Guten Morgen‘ in die Krankenzimmer gehen.“