Egger Johann
Thema: Nächstenhilfe, Lebensbewältigung
M1: PNP vom 15.05.2006, S.29
Zehn Jahre im Dienste seiner kranken Frau
Sozialministerium zeichnet Johann Egger (87) mit der Pflegemedaille aus - Heim kam für Pensionisten nie in Frage
von Elke Zanner
„Begrenzt ist das Leben, doch unerschöpflich ist die Liebe“. Dieser Spruch steht im Sterbebild von Maria Egger. Es ist der letzte Gruß ihres Mannes Johann. 63 Jahre lang waren die beiden verheiratet. Die letzen zehn Jahre hat Johann Egger seine schwerstkranke Frau gepflegt. Dafür ist der 87-Jährige jetzt mit der Pflegemedaille des Sozialministeriums ausgezeichnet worden.
Johann Eger sitzt allein auf dem ockergelben Ledersofa in der Vornholzstraße 72. Nur Nicki, der Pekinese ist noch da. Seine Frau Maria starb am 9. April. Sie wurde 81 Jahre alt. Die letzten zehn Jahre hatten Maria und Johann Egger keine gute Zeit. Im März 1996 hatte Maria Egger den ersten Schlaganfall. Am Silvesterabend vor acht Jahren den zweiten. Als der Notarzt sie ins Krankenhaus brachte, konnte sie zwar wieder sprechen. Doch über Nacht verschlechterte sich der Zustand. Als Johann Egger seine Frau am nächsten Tag besuchte, konnte sie nicht mehr reden, nicht mehr schreiben, nicht mehr lesen, nichts mehr bewegen außer dem linken Arm. So blieb es bis zu ihrem Tod.
Tag und Nacht für seine Frau im Einsatz
In diesem Zustand nahm Johann Egger seine Frau mit nach Hause in die Vornholzstraße. Drei Mal am Tag kam der Pflegedienst. „Eine super Truppe“, sagt er voller Respekt. Den Rest war Johann Egger für sie da. Tag und Nacht. Er hat gekocht, geputzt und außer Hemden alles gebügelt. Er hat seine Frau gefüttert, oft eine Stunde, bis sie den Teller leer gegessen hatte. In der Nacht legte er sie manchmal zwei, drei Mal trocken. Pflegestufe drei hatte Maria Egger. „Die letzten eineinhalb Jahre brachte ich sie aus dem Rollstuhl fast nicht mehr heraus. Was die mitgemacht hat“, sagt Johann Egger.
In den letzten achteinhalb Jahren hat Egger sein Haus in der Vornholzstraße fast nur zum Einkaufen verlassen. Die einzige Zerstreuung waren am Sonntag allenfalls zwei Stunden Frühschoppen im Gasthaus Sailerwöhr. Die Sailerwöhr-Wirtin, Marita Sedleczki, und Rudolf Memminger, ein Bekannter, haben Johann Egger schließlich vorgeschlagen für die Auszeichnung, die an Menschen vergeben wird, die sich in besonderer Weise um pflegebedürftige oder behinderte Personen verdient gemacht haben. Sie beiden sind auch dabei, als OB Albert Zankl Johann Egger in seinem Büro Medaille und Urkunde überreicht und persönliche Grüße von Sozialministerin Christa Stewens ausrichtet. In der Runde fällt es Egger schwer, über die Erlebnisse der letzten Jahre zu reden. Er kämpft mit den Tränen, auch wenn seine blitzblauen Augen verraten, dass er eigentlich ein fröhlicher, lebenslustiger Mensch ist. Sozialamtschef Josef Loher, der ebenfalls mit am Tisch sitzt, würdigt Eggers Leistung. „Achtzig Prozent aller Pflegetätigkeit passiert in den Familien“, sagt er. Doch der Trend sei stark rückläufig. Da werde noch eine große Kostenbelastung auf die öffentlichen Kassen zukommen.
Johann Egger hat nie daran gedacht, seine Frau in ein Heim zu geben. Nie. Doch nicht, „wenn man so ein Mädchen fast 65 Jahre kennt“. So eine Frage verärgert ihn fast ein wenig. Die Jahre vor der Krankheit waren schließlich schön, außer dass die Ehe kinderlos blieb. Da sind sie miteinander in die Schwammerl gegangen, haben Ausflüge gemacht. Heuer wird Johann Egger für ein paar Tage ins Lechtal fahren, „Da bin ich 24 Jahre mit der Maria hin“, erzählt er. Der erste Urlaub seit 12 Jahren. Egger, der bis zur Pensionierung bei der Bahn war, hatte die gebürtige Belgierin zu Kriegsbeginn als Soldat in einem kleinen Kaufladen in Belgien das erste Mal gesehen. In der Nähe von Paris traf er sie zufällig wieder. In einem Urlauberzug schmuggelte er sie schließlich nach Passau. Am 15. März 1943 heirateten die beiden in Auerbach. Der Hochzeitsanzug passt ihm noch heute. Als seine Frau begraben wurde, hat er ihn getragen.
Um die Auszeichnung macht Johann Egger nicht viel Aufhebens. „Ich habe sie halt gekriegt“, sagt er. Gefreut habe er sich schon. Doch tausend Mal lieber wäre es ihm, wenn Maria noch am Leben wär. Er hätte gerne weiter für sie gesorgt. Er ist sich sicher, dass seine Frau für ihn dasselbe getan hätte.