Eder, Josef und Inge
Thema: Unfall, Lebensretter
M1: PNP, 04.08.2016, Nr. 179, S. 8
Das war mutig!
Simbacher Ehepaar kümmert sich selbstlos um schwer verletzte Unfallopfer - Auto prallte nahe Waging gegen Baum
von Isabel Metzger
Waging/Simbach am Inn. Selbst in Momenten der größten Not kann es Lichtblicke geben. Das Ehepaar Eder aus Simbach am Inn war ein solcher Lichtblick für zwei Unfallopfer, die am Samstag mit ihrem Auto gegen einen Baum geprallt waren. Josef und Inge Eder bewiesen, dass sie das Herz am rechten Fleck und enorm viel Mut haben – und damit dem schwer verletzten Paar die entscheidende Hilfe leisteten.
Josef Eder (56), der als Hausmeister bei der Simbacher Polizei arbeitet, will eigentlich gar nicht viel Aufhebens um das Geschehene machen. "Wir haben instinktiv gehandelt", sagt er bescheiden im Gespräch mit der PNP. "Wir haben einfach nur funktioniert."
Inge und Josef Eder waren am Samstagvormittag auf dem Weg nach Berchtesgaden – wie schon oft in den vergangenen Wochen. In den Bergen erholt sich das Paar aus dem Inntal, nachdem auch Josef Eder zu den Opfern der Flutkatastrophe vom 1. Juni zählte. Ein reißender Strom hatte sich vor gut zwei Monaten den Weg durch Simbach am Inn gebahnt. Sieben Menschen mussten ihr Leben lassen, viele Existenzen wurden vernichtet, Häuser zerstört. Darunter war auch die Simbacher Polizeiinspektion. "Mein Arbeitsplatz war weg", sagt Josef Eder. Viel Arbeit hat der Hausmeister seither gehabt. "Deshalb wollten wir am Wochenende ausbrechen, die Seele baumeln lassen."
"Höllenangst, dass das Auto brennt"
Dazu kam es allerdings nicht. Auf der Straße zwischen Waging (Lkr. Traunstein) und Teisendorf (Lkr. Berchtesgadener Land) war unmittelbar vor den Eders eine junge Autofahrerin aus Bad Reichenhall mit ihrem Mazda von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum geprallt. Der Beifahrer, der 41-jährige Lebensgefährte der Reichenhallerin, konnte sich trotz seiner schweren Verletzungen aus dem qualmenden Wrack befreien. "Dann hörten wir ein Wimmern aus dem Auto", sagt Josef Eder. Die Fahrerin (28) sei in dem völlig deformierten Auto eingeklemmt gewesen. Sie blutete stark, war jedoch bei Bewusstsein.
Seine Frau habe sich daraufhin über die Beifahrertür zu der Verletzten "durchgewühlt" ("Alles war eingedrückt") und den Gurt geöffnet. Josef Eder holte für das Opfer eine Rettungsdecke aus seinem Wagen. Seine Frau Inge (55) habe die ganze Zeit den Kopf der jungen Reichenhallerin gestützt und ihr gut zugeredet. Denn mit die größte Angst von Inge Eder war, dass die Verletzte das Bewusstsein verliert.
Josef Eder war indes kurzzeitig am Verzweifeln. Ausgerechnet an der Unfallstelle gab es keinen Handyempfang. Andere Helfer, die an den Unglücksort gekommen waren, seien auf der Suche nach einem Netz den Berg hinab gelaufen. Dort hatten sie Glück, sie konnten den Notruf wählen.
Inge Eder harrte derweil bei der Schwerverletzten aus – und blieb sogar bei ihr, als die inzwischen eingetroffenen Einsatzkräfte die junge Frau mit der Rettungsschere aus dem Wrack schnitten. Mit einer Decke sei die 55-Jährige geschützt worden. Dass sie dennoch Blessuren erlitt, wurde Inge Eder erst später bewusst. Sie hatte Schnittverletzungen, ihre Arme seien bis zu den Ellenbogen mit dem Blut des Unfallopfers beschmiert gewesen, erzählt ihr Mann. Der musste während der Hilfsaktion auch immer wieder seine Ehefrau beruhigen. Da der Mazda qualmte, "hatte sie Höllenangst, dass das Auto zu brennen beginnt". Josef Eder, ein gelernter Elektriker, sah diese Gefahr jedoch gebannt. Nichtsdestotrotz: "Ich werde ab sofort mit einem Feuerlöscher unterwegs sein."
Mit dem Rettungshubschrauber wurden die beiden Unfallopfer in umliegende Krankenhäuser geflogen. Beide lagen gestern noch auf der Intensivstation. Lebensgefahr bestehe jedoch nicht mehr, betont ein Sprecher der zuständigen Polizeiinspektion Laufen. Da die Verletzten noch nicht vernommen werden konnten, sei der Unfallhergang völlig unklar.
Inge und Josef Eder wollen die 28-Jährige und ihren Freund im Krankenhaus besuchen. "Es ist uns ein Anliegen, sie kennenzulernen." Mit einer Verwandten der jungen Reichenhallerin hatten sie gestern bereits telefonisch Kontakt. Der Angehörigen war es wichtig, sich bei den Eders persönlich für ihre Hilfe zu bedanken. Die brauchen derweil Zeit, das Erlebte zu verarbeiten und zu verkraften. "Am Samstag und Sonntag war nicht an Schlaf zu denken", sagt Josef Eder und betont: "Meine Frau hat immer noch das Bild vor Augen."
Wie es den Eders ergeht, weiß Jakob Goess nur zu gut. Auch die Rettungskräfte würden während eines Einsatzes "einfach nur funktionieren", nach belastenden Situationen bräuchten sie jedoch eine Stressbewältigung, erklärt der Leiter des Rettungsdienstes beim Bayerischen Roten Kreuz, Kreisverband Traunstein. Diese Hilfe bietet Goess – er war am Samstag selbst am Unfallort – auch den Eders an. Ihr Handeln bezeichnet er als "vorbildlich". Goess: "Wir würden uns wünschen, dass sich viele so verhalten." Denn "die pure Tatsache, Nähe und Sicherheit zu vermitteln, ist enorm entscheidend für einen Verunfallten".
Eders haben sich vorbildlich verhalten
"Mut zu helfen" nennt Jakob Goess das, was das Ehepaar Eder geleistet hat. Wer in eine solche Situation gerät, sollte als Erstes die Unfallstelle absichern, rät der Experte. Und: "Niemand sollte ein unnötiges Risiko eingehen, aber mutig und tapfer die Hand eines Verletzten halten." Bei der Ersten Hilfe könne man nichts falsch machen, gibt Goess zu bedenken und appelliert daran, die Grundkenntnisse regelmäßig aufzufrischen.
Die Eders sehen ihr Verhalten als selbstverständlich an. "Wir haben das gemacht, was jeder Verkehrsteilnehmer machen müsste", ist Josef Eder überzeugt und zeigt sich vielmehr beeindruckt von der Arbeit der Einsatzkräfte. Alles sei ruhig abgelaufen, jeder Handgriff habe gesessen – "à la bonheur".
M2: Bilder von Josef und Inge Eder
M3: Didaktische Impulse
1. Schreibt einen Dankesbrief an das Ehepaar Eder aus der Sicht der Unfallopfer!
2. Sowohl die Eders als auch die Rettungskräfte hätten "einfach nur funktioniert" - weißt du auch, was bei einem Unfall alles zu tun ist bzw. fühlst du dich darin sicher? Erkundigt euch gegebenenfalls bei einer Rotkreuzstelle in eurer Umgebung und probiert die Rettungsgriffe und Wiederbelebungsmaßnahmen vor Ort aus. Lasst euch dabei Rückmeldung geben!
3. Sowohl die Unfallopfer als auch die Helfer vor Ort brauchen nach einem Unfall erst einmal Zeit, "das Erlebte zu verarbeiten und zu verkraften". Überlegt euch in 3er-Gruppen, wie man am besten nach solch einem Ereignis abschalten kann und diskutiert anschließend eure Vorschläge im Klassenverband.
4. Unschön im Nachhinein: Wie Herr Eder den Verantwortlichen der Local-Heroes-Homepage mitteilte, verweigern die Unfallopfer im Nachgang jeden Kontakt mit ihren Rettern. Verständlicherweise sind die beiden Retter hierüber sehr enttäuscht. Schreibt einen Brief an die beiden Retter und bezieht bei euer Antwort Lk 17,11-19 ("Der dankbare Samariter") mit ein!