Dr. Schlenk, Gerhard
Thema: Entwicklungszusammenarbeit, Eine Welt, Hilfsbereitschaft
M1: PNP, 28.11.2013, Nr. 275, S. 32
Zurück aus einer anderen Welt
Dr. Gerhard Schlenk half auf den von einem Taifun getroffenen Philippinen – Seit Samstag ist er wieder in Deutschland
Interview: Martin Maier
Hofkirchen. Knapp zwei Wochen hat der Hofkirchner Arzt, Dr. Gerhard Schlenk (48), Taifun-Opfern auf den Philippinen geholfen. Am Samstagmittag sind er und seine drei Kollegen, die für die Moosburger Hilfsorganisation NAVIS als "Fact Finding Team" die Lage sondierten, in München gelandet. Erschöpft, aber unversehrt.
Herr Schlenk, Sie haben Ihr Leben riskiert, um den Menschen auf den Philippinen zu helfen. Warum?
Im Großen betrachtet, ist unsere Hilfe nicht viel mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Und trotzdem: Es ist ein gutes Gefühl, nachhaltig helfen zu können. Wir haben zum Beispiel eine Trinkwasseraufbereitungsanlage installiert, von der die Menschen viele Jahre profitieren können. Man bekommt viel zurück von den Betroffenen.
Wie war es, zuhause anzukommen?
Einsatzbesprechung unter Kollegen: Apotheker Andreas Portugal von "Apotheker ohne Grenzen" (links) und Arzt Gerhard Schlenk stimmen sich ab.
Meine Frau und meine Stieftochter empfingen mich am Flughafen. Es war schön, die beiden in die Arme zu nehmen. Daheim spürte ich, dass sich auch unsere anderen Kinder Sorgen gemacht hatten und erleichtert waren, als ich gesund vor ihnen stand. Außer dass ich erkältet bin, geht es mir gut. An meinem ersten Arbeitstag am Montag wollten die Patienten alles wissen, beglückwünschten mich per Handschlag. Das Medizinische geriet fast in den Hintergrund (lacht). Die Patienten sind froh, dass sie ihren Arzt wiederhaben.
Auf Einheimische, die vor dem Nichts stehen, traf der NAVIS–Erkundungstrupp oft. Die deutschen Helfer fielen durch ihre blaue Uniform ins Auge.
Was waren die größten Herausforderungen bei Ihrem Einsatz? Wie aufreibend war er?
Die Infrastruktur liegt am Boden. Es gibt keinen Strom, der Verkehr ist überlastet, es gibt nichts zu essen und trinken, man kann nichts kaufen, kaum telefonieren, überall ist Dreck, die medizinische Versorgung ist nicht ausreichend. Wir fuhren mit Mopeds, Taxen, öffentlichen Bussen, Fähren, Militärfahrzeugen durchs Land.
Gab es für die Helfer auch Versorgungsengpässe?
Nach drei Tagen neigte sich mein Proviant dem Ende zu. Wir haben dann Regenwasser abgekocht und getrunken. Ein Glück, dass niemand Durchfall bekommen hat. Bedroht wurden wir nicht. Die Einheimischen waren froh über uns. Geschlafen habe ich nie länger als drei Stunden. Es war oft extrem heiß oder hat stundenlang geregnet. Nachts liefen viele bellende Hunde umher, manche schlichen um unser Zelt. Außerdem hörte ich ständig Kinder weinen. Es war mein siebter Einsatz in einem Katastrophengebiet und mein anstrengendster.
Was war der schlimmste Moment?
Am stärksten berührt hat mich das Schicksal eines Mannes, der von Wassermassen heimgesucht wurde. Er hielt dabei sein Kind im Arm und griff gleichzeitig nach der Hand seiner wegtreibenden Frau. Dabei entglitt ihm das Kind. Frau und Kind sind nun beide tot. Die Vorstellung, meiner Familie wäre es so gegangen, ist schlimm. Ich darf deswegen aber nicht in Mitleid versinken, sondern muss mir klar machen, dass ich eine Aufgabe habe, die ich so gut wie möglich erfüllen muss.
Gab es auch Lichtblicke?
Beeindruckt hat mich ein Pfarrer. Er meinte zu uns, "wenn euch meine Kirche nützt, könnt ihr hier jederzeit ein Feldlazarett aufbauen". Der Geistliche sagte, "die Katastrophe ist über uns gekommen – doch wir schaffen es, wieder rauszukommen".
Hallen die Bilder aus dem Krisengebiet nach?
Nein. Mir gelingt es, sie in eine Schublade zu packen. Diese öffnet sich nur dann, wenn ich will.
M2: Didaktische Impulse
1. Wie findest du die Arbeit von Gerhard Schlenk? Worauf muss man verzichten, wenn man in ein Krisengebiet fährt/zieht? (z.B. fließendes Wasser, Sanitäreinrichtungen)
2. Sucht in eurer Umgebung nach Menschen, die sich auch ehrenamtlich/sozial engagieren. Interviewt sie nach ihren Motiven und sprecht in der Klasse darüber!
3. Welche Argumente sprechen dafür, ähnliche Hilfsprojekte in Angriff zu nehmen? Sammelt weitere Beispiele (die ihr z.B. auf der Local-heroes-Homepage findet)!