Dietz Tanja
Thema: Eine Welt, Entwicklungszusammenarbeit, Solidarität, Nächstenhilfe
M1: PNP, 02.03.2010, Lokalausgabe Deggendorf
Ärztin hilft Frauen im Sudan
Tanja Dietz baute für „Ärzte ohne Grenzen“ einen OP auf, in dem Frauen auch per Kaiserschnitt entbinden können
Von Michaela Arbinger
Deggendorf. 90 Prozent aller Frauen im Sudan sind beschnitten, oft mit verheerenden gesundheitlichen Folgen. Um über die Genitalverstümmelung aufzuklären und zu verhindern, dass die Frauen nach Geburten in staatlichen Kliniken wieder zugenäht werden, hat „Ärzte ohne Grenzen“ in „Port Sudan“, der zweitgrößten Stadt des Landes, ein Pilotprojekt gestartet - mit tatkräftiger Unterstützung der Deggendorfer Frauenärztin Tanja Dietz (38).
Seit 2001 arbeitet die gebürtige Münchnerin oben am Perlasberg. Sie ist seit 2007 Fachärztin und wird ab April Funktions-Oberärztin in Dr. Ronaldo Stuths Team. Sich bei „Ärzte ohne Grenzen“ zu engagieren, übte auf die Ärztin schon immer einen großen Reiz aus. „Man muss dabei mit völlig anderen medizinischen Anforderungen zurechtkommen und ist anders gefordert als bei uns.“
Weil das Visum anders als geplant nicht rechtzeitig ausgestellt wurde, legte Tanja Dietz im vergangenen Oktober zunächst einen einmonatigen Zwischenstopp im westafrikanischen Sierra Leone ein. In der Stadt „Bo“ arbeitete die Deggendorferin in einem Zentrum für komplizierte Geburten, das „Ärzte ohne Grenzen“ aufgebaut hatte. Um die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist es mit insgesamt 60 Ärzten im Land miserabel bestellt. Viele Frauen entbinden zu Hause. Treten Komplikationen auf, stehen die Chancen schlecht, dass sie die Geburten überleben. Auch die Sterblichkeitsrate bei den Babys ist hoch. „Da konnte ich viel helfen“, erinnert sich die Deggendorferin an diesen Einsatz.
Nach einem kurzen Zwischenstopp daheim ging es im November über Brüssel in den Sudan. Obwohl in dem islamischen Land die Beschneidung von Frauen eigentlich verboten ist, ist die Verstümmelung von Klitoris, der kleinen und zum Teil großen Schamlippen üblich. „Es herrscht die Meinung vor, dass eine anständige Frau beschnitten sein muss. Das wird sogar in staatlichen Kliniken gemacht“, weiß Tanja Dietz. Nicht immer stammen die Instrumente dazu aus dem Arztkoffer. Manchmal muss unter katastrophalen hygienischen Bedingungen eine Glasscherbe als Skalpell herhalten. Infektionen, Schmerzen beim Wasserlassen, bei der Periode und beim Geschlechtsverkehr sind nur einige Folgen. Nur schwer ist für Europäer nachzuvollziehen, „dass die meisten Frauen das nicht in Frage stellen und auch ihre Töchter wieder beschneiden lassen“, wie Tanja Dietz in vielen Gesprächen erfahren hat.
Den sudanesischen Frauen ihre Meinung zu diesem Thema aufzudrücken, kam der Deggendorferin nicht in den Sinn: „In unserer Klinik wurden sie nach Geburten aber nicht mehr zugenäht.“ Zusammen mit einer Hebamme aus Belgien, einem Engländer und einem sudanesischen Team war es die Aufgabe der 38-Jährigen, in „Port Sudan“ einen OP zu eröffnen, in dem auch Kaiserschnitte gemacht werden können. Außerdem schulte sie die Ärzte, damit das Projekt langfristig unter einheimischer Regie funktioniert. Spaß hat das gemacht, sagt die zierliche Ärztin, und: „Ich habe mich sehr akzeptiert gefühlt.“ Nicht immer war klar, dass der OP auch wirklich eröffnet werden könnte. Immer wieder tauchten Hindernisse auf. „Als es endlich soweit war, wurde ein großes Fest gefeiert, zu dem sogar der Gesundheitsminister kam.“
Tanja Dietz, seit Februar zurück und seit dieser Woche wieder im Dienst am Klinikum, hat im Sudan etwas Bleibendes mitaufgebaut: „Ich freue mich sehr, dass der OP noch läuft.“ Sehr gut könnte sie sich vorstellen, in ein paar Jahren noch einmal für „Ärzte ohne Grenzen“ durchzustarten, „denn da kommt man an seine Grenzen und wird daran erinnert, was die ursprüngliche Motivation war, Ärztin werden zu wollen.“ Da ist es eine Nebensache, dass sie vor lauter Arbeit vom Land nicht viel gesehen hat. „Nur Weihnachten waren wir Schnorcheln im Roten Meer.“
M2: Bild der Ärztin Tanja Dietz, der 16-jährigen Fatma und ihrem Kind
M3: Didaktische Impulse
1. Schreibt einen kurzen Dankesbrief an Frau Tanja Dietz mit Argumenten, was ihr an ihrer Arbeit schätzt!
2. Sucht in eurer Umgebung nach Menschen, die sich auch ehrenamtlich / sozial engagieren. Interviewt sie nach ihren Motiven und sprecht in der Klasse darüber!