Bohne - natürlich unverpackt
Thema: Jugend, Kinder, Nachhaltigkeit, Schöpfung
M1: "Schule und Kirche", Die Fachzeitschrift der Hauptabteilung Schule und Erziehung, September 2020, Nr. 191, S. 23-25
Die „Bohne“ wächst
Das Unverpackt-Projekt vom Kapu nimmt Gestalt an
von Anne Ewig
Nun steht er tatsächlich da: der lang ersehnte Verkaufsanhänger für unsere „Bohne“. Wer hätte gedacht, dass eine Schülergruppe innerhalb nur eines Jahres und vor allem trotz der widrigen Umstände in den letzten Monaten so erfolgreich sein kann?! Zugegeben: So einiges muss noch getan werden, um unser Ziel, in Bocholt und Umgebung unverpackte Waren verkaufen zu können, zu realisieren. Aber: wir sind auf einem sehr guten Weg.
Die ersten Schritte auf diesem Weg
„Was können wir selbst für unsere Umwelt tun?“ Diese Frage treibt die Schülerinnen und Schüler der damaligen Q1 vom St.-Josef-Gymnasium (Kapu) in Bocholt um. In zahlreichen Pausengesprächen ist das immer wieder Thema. Es soll um Nachhaltigkeit in der Region gehen, auf diesen Nenner einigt sich die achtköpfige Gruppe schnell. Nicht zuletzt durch das eigene Konsumverhalten kristallisiert sich dann die Idee eines Unverpackt-Ladens heraus. Auf Instagram posten die Schülerinnen und Schüler ihr Projektvorhaben, das in kurzer Zeit fast 200 Menschen „gefällt“. Dieses Feedback spornt die junge Gruppe und mich als betreuende Lehrerin weiter an, außerdem ist auch die Schulleitung begeistert von diesem Projekt.
Am ersten Tag der Osterferien im letzten Jahr treffen wir uns morgens um 8 Uhr in der Schule zu einem kreativen Treffen, um konkreter zu planen. Inzwischen hat die Idee einen Namen bekommen: wir nennen uns „Bohne – natürlich unverpackt“. Die Schüler spielen mit der Abkürzung „Boh“ für Bocholt und „ohne“, nämlich „ohne“ Verpackung.
Die Bohne als natürliche Frucht wird mit Unterstützung eines ehemaligen Referendars zu unserem Logo. Die ersten Auftritte in einem Gottesdienst und Präsentationen beim Weltkindertag und dem Tag der offenen Schule folgen. Vor allem von den sogenannten Bulk-Bins, den Spendersystemen für lose Lebensmittel, sind die Besucher begeistert. Wir zeigen das verpackungsfreie Abfüllen von Nudeln, Reis und Müsli in eigene Gefäße. Die ersten Spendengelder von Leuten, die diese Idee unterstützenswert finden, fließen.
Uns schwebt zu diesem Zeitpunkt immer noch ein eigener kleiner Unverpackt-Laden in Bocholt vor. Ein Business-Plan wird in Angriff genommen. Was muss man überhaupt alles bedenken, wenn man ein Geschäft eröffnen und mit Lebensmitteln handeln will? All das ist Neuland für die jungen Schülerinnen und Schüler und auch für mich. Daher nehmen Sophie und ich an einem Gründer-Seminar für Unverpackt-Läden in Münster teil. In Bocholt besteht dann für uns Aussicht auf eine Start-Up-Förderung durch das Stadtmarketing. Nahezu zeitgleich legt im vergangenen Sommer aber auch eine Jungunternehmerin aus Bocholt ihr Konzept für einen solchen Laden vor. Bei einem Treffen zeigt sich, dass Ideen und Motivation sich ähneln. Nur: Die Unternehmerin hat natürlicherweise kaufmännische Interessen und muss Gewinne erwirtschaften, während wir vor allem gemeinnützig denken und Nachhaltigkeit und das Sparen von Verpackungen in Bocholt fördern möchten. Allen ist schnell klar: zwei Unverpackt-Läden in Bocholt, das funktioniert nicht. Ein neuer Weg muss beschritten werden.
„Bohne“ geht den Weg mobil
Eine weitere Erkenntnis bringt die Schülergruppe, mittlerweile in der Q2 angekommen, und mich dazu, nach einer Alternative für einen stationären Laden zu suchen: trotz vielfältiger Unterstützung aus der ganzen Schulgemeinde und auch aufgrund der Tatsache, dass viele der Bohne-Gründerinnen und Gründer nach dem Abitur nicht so mehr präsent in Bocholt sein werden, muss das Unverpackt-Projekt, wenn es erfolgreich sein will, personell und zeitlich gut zu bewältigen sein. Die Lösung: „Bohne“ soll mobil werden und die unverpackten Produkte auf Märkten und Plätzen anbieten. Dieser neue Weg hat gleich mehrere Vorteile: wir können die Verkaufszeiten deutlich reduzieren, außerdem kann man diese mehr oder weniger selbst festlegen. Ganz abgesehen davon ist die mobile Lösung die deutlich kostengünstigere.
Getragen von dieser neuen Idee laufen nun mehrere Dinge parallel: der Business-Plan wird auf die mobile Variante „umgeschrieben“. Außerdem wird die Idee der angehenden Abiturienten durch die Vereinsgründung „Bohne – natürlich unverpackt“ e.V. auf ein sicheres, konstantes Fundament gestellt. Die schulische Anbindung des Projektes an das Fach Sozialwissenschaften soll gewährleisten, dass sich von Jahr zu Jahr neue Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines Projektkurses für den Unverpackt-Gedanken engagieren, dass „Bohne“ quasi auch in diesem Sinne „nachhaltig“ ist. Mit dieser neuen „mobilen“ Ausrichtung nehmen wir in Bocholt am „Marktplatz der guten Geschäfte“ teil.
Hier treffen sich, organisiert von der Stadt Bocholt, Vereine und Gewerbetreibende, die gegenseitig von einander profitieren und sich engagieren wollen. Nach dem Motto „Wir suchen – wir bieten“ kommen wir mit Vertretern von Banken und Unternehmern in Kontakt und schließen für uns wertvolle „Verträge“. Wir erhalten zum Beispiel Unterstützung für Werbung und veranstalten im Gegenzug einen Info- und Verkaufsstand für die Mitarbeiter des Unternehmens. Unser Verein vernetzt sich darüber hinaus auch mit anderen Organisationen aus Bocholt und ruft die „Bocholter Welle gegen Plastikflut“ ins Leben. Zunächst auf die Fastenzeit begrenzt werden die Bocholter Bürgerinnen und Bürger bei jedem Einkauf mit einem Stempel in der von uns entworfenen Stempelkarte belohnt, wenn sie auf eine Plastiktüte verzichten. Jede volle Stempelkarte nimmt abschließend an einer Verlosung teil. Die Aktion läuft sehr gut an, doch dann kommt Corona und wirft den Unverpackt-Gedanken beim Einkauf weit zurück. Wir verlängern die Aktion bis Pfingsten. Trotz der widrigen Umstände sind fast 700 ausgefüllte Stempelkarten in der Losbox. Auch das zeigt uns, dass wir mit „Bohne“ einen Weg einschlagen, den viele Bocholterinnen und Bocholter gerne mitgehen.
Der Weg der Realisierung beginnt
Inzwischen hat „Bohne“ nicht nur in den sozialen Netzwerken viele Fans. Besonders erwähnenswert sind die Bocholter Banken, die uns mit großzügigen Spenden unterstützen. Außerdem erhalten wir Gelder aus einem NRW-Förderprogramm für Kleinprojekte. Ende Juni ist es dann soweit: das Geld reicht aus, um einen Verkaufsanhänger zu finanzieren. Gemeinsam mit unserem Hausmeister fahren einige von uns nach Dorsten, um uns den von uns im Internet favorisierten Hänger näher anzusehen. Für unsere Zwecke ist dieser ideal, und wir schlagen zu! Unglaublich, wir haben tatsächlich ein Gefährt! Jetzt ist vor allem handwerkliches Geschick gefragt. Teilmöbliert ist der Anhänger zwar, jedoch fehlt noch der Thekenaufbau, ein Wasseranschluss, das sogenannte Hygienepaket mit Waschbecken und Seifenspender, ein Kühlschrank und natürlich die Spendersäulen mit den losen Waren. Wir halten uns dabei ganz streng an die Vorgaben des Amtes für Lebensmittelüberwachung im Kreis Borken. Wichtig ist natürlich auch die Infektionsschutzbelehrung, die alle „Bohne“-Helferinnen und Helfer vorweisen müssen. Nebenbei läuft die Beantragung der Reisegewerbekarte, die wir haben müssen, wenn wir auf Märkten oder privaten Plätzen unterwegs sind. Das alles sind fast täglich neue Herausforderungen, die die Schülerinnen und Schüler und ich bewältigen müssen – neue Wege, die einen manchmal wegen der hohen Auflagen und Vorschriften fast in eine Sackgasse zu führen scheinen. Bisher hat sich für uns aber immer ein neuer Weg aufgetan, und den gehen wir, angespornt von kleinen und größeren Erfolgen, zielstrebig weiter, bis wir hoffentlich zum neuen Schuljahr tatsächlich mit „Bohne mobil“ unterwegs sein können!
Anmerkung: Anne Ewig ist Vorsitzende des Vereins „Bohne – natürlich unverpackt“ und Lehrerin für Sozialwissenschaften, Pädagogik und Latein am Kapu in Bocholt.
M2: Bilder zum Projekt "Bohne - natürlich unverpackt"
M3: Didaktische Impulse
1. Fasse in eigenen Worten zusammen: Was steckt hinter dem Projekt "Bohne - natürlich unverpackt"?
2. Diskutiere mit einem*r Partner*in: Welche Chancen, bzw. Herausforderungen ergeben sich durch das "Unverpackt-Projekt"? Haltet eure Ergebnisse schriftlich fest.
3. „Was können wir selbst für unsere Umwelt tun?“ - diese Frage haben sich die Schüler*innen in Bocholt gestellt. Welche weiteren Ideen fallen euch ein, um die Frage zu beantworten? Sammelt eure Einfälle an der Tafel und diskutiert diese im Anschluss.