Best Buddies
Thema: Behinderung
M1: PNP, 03.12.2009, Nr. 281, S.3
"Best Buddies" - Freundschaft als Lebenshilfe
Heute ist internationaler Tag der Behinderten - Verein vermittelt Freundschaften zwischen Menschen mit und ohne geistiger Behinderung. Der Verein „Best Buddies“ vermittelt Freundschaften zwischen Menschen mit und ohne geistige Behinderung. Zum heutigen internationalen Tag der Behinderten hat die PNP ein Treffen unter Buddies (Freunden) in Passau begleitet.
von Anne Schafmeister
Der eine ist Bayern-Fan, der andere hält dem SV Werder Bremen die Treue. Beiden gefällt der Song „Für immer jung“ von Bushido und Karel Gott. Unterschiede und Gemeinsamkeiten, die Christian (24) aus Marburg und Stefan (23) aus Aicha vorm Wald bei ihrem ersten Treffen entdecken. Ein erstes Treffen, dem viele folgen sollen. Aus dem trotz aller Unterschiede eine ganz normale Freundschaft werden soll. Stefan ist am Down-Syndrom erkrankt und lebt im Anton-Schmidinger-Wohnheim der Lebenshilfe Passau. Christian ist Jura-Student im dritten Semester an der Universität Passau. Die beiden jungen Männern wollen „Best Buddies“, gute Freunde, werden.
„Best Buddies“ - das ist der Name eines weltweiten Vereins, der Freundschaften zwischen Menschen mit geistiger Behinderung und nicht Behinderten fördert. Stimmen Alter, Wohnort und Interessen überein im persönlichen Internetprofil, das sich am Projekt Interessierte auf der Homepage der Organisation erstellen können, dann wird ein Treffen arrangiert. So der normale Weg. Stefan und Christian aber haben sich über Sören Räthling (23) kennengelernt.
Der Jura-Student aus Hamburg kam zum ersten Mal vor drei Jahren während seines Zivildienstes in Kanada mit dem Projekt in Berührung. Und brachte die Idee mit nach Passau, wo er seit zwei Jahren studiert. „Die Arbeit in Kanada, der Kontakt zu den ,Buddies‘ - das hat total viel Spaß gemacht!“, sagt Sören. 1989 gründete Anthony Kennedy Shriver noch als Student den Verein in den USA. Er ist Sohn von Eunice Kennedy Shriver (1921-2009), der Schwester der US-Politiker John F., Robert und Edward Kennedy. Weltweit sind etwa 500 000 Mitglieder in über 40 Ländern bei „Best Buddies“ aktiv, in Deutschland beginnt der Verein gerade erst mit seiner Arbeit. Über 1000 Teilnehmer in Freundschaft zu verbinden, sei erklärtes Ziel bis 2010, sagt Benjamin Thaler, Direktor von „Best Buddies Deutschland“.
Freizeitgestaltung auf Augenhöhe
Auch wenn es um die Organisation hier zu Lande in den letzten Monaten nicht eben gut stand: finanzielle Probleme, Schließung der Büros in Stuttgart und Hamburg, Insolvenzverfahren. Daraus gehe der Verein jetzt gestärkt hervor, sagt Thaler. Neue Sponsoren - regional und überregional - und eventuell auch der verstärkte Einsatz ehrenamtlicher Mitarbeiter sollen ein neues, solides Fundament bilden. „Hätten wir mehr solche wie Sören, würde es uns sehr viel besser gehen“, sagt der Direktor des Programmes.
Bundesweit konzentriere sich die Arbeit des Vereins derzeit auf Metropolregionen wie Hamburg, München und Berlin. Freundschafts-Anfragen kämen aber aus ganz Deutschland, „aus Ballungsräumen wie Düsseldorf und Köln, aber zum Beispiel auch aus Pforzheim“. Die könne man zur Zeit nur schwer vermitteln, „weil die Kräfte vor Ort fehlen“.
In Passau leistet Sören ehrenamtlich Pionierarbeit. Seit April 2008 ist er mit seinem „Buddy“ Florian befreundet. Im Herbst gründete er die Hochschulgruppe „Best Buddies“. „Sören ist an uns mit der Idee herangetreten, nachdem wir kurz zuvor von unserem Landesverband informiert wurden“, erinnert sich Maria Zander, Bereichsleiterin für die offene Behindertenarbeit bei der Lebenshilfe Passau. Je nach Region sucht „Best Buddies“ die Zusammenarbeit mit Einrichtungen wie zum Beispiel der Lebenshilfe, der Caritas oder auch der kirchlichen Regens-Wagner-Stiftung.
„Es ist eine tolle Möglichkeit für die Bewohner unseres Wohnheims, ihre Freizeit gemeinsam mit Menschen ohne Behinderung auf gleicher Ebene zu verbringen“, findet Maria Zander. Drei weitere Studenten hätten sich erst kürzlich angekündigt, sie sei nun auf der Suche nach passenden Buddy-Partnern. Im neuen Jahr wolle die Lebenshilfe Passau die Kooperation mit dem Verein „Best Buddies“ intensivieren und Buddies nicht nur aus Studentenkreisen, sondern aus ganz Passau gewinnen.
„Ich erzähle meinen Freunden von dem Projekt, frage aber nicht, ob sie mitmachen wollen“, sagt Sören. Das müsse von selbst kommen. Wie bei Christian, der vor dem ersten Treffen „ganz schön aufgeregt“ war. Die Aufregung ist aber schnell vergessen, als er zusammen mit Stefan, Sören und Florian in der Passauer Fußgängerzone in einem Café sitzt. Kennenlernen bei Milchkaffee und Spezi. Es ist eine laute Runde, die sich im gemütlich schummrigen Café zusammengefunden hat. Die jungen Leute lachen, reden, schreien bisweilen. Ein älterer Mann am Nebentisch schaut die laute Gruppe ab und zu über seine Zeitung hinweg an. Mit am Tisch sitzen auch Oskar (21), ein Kommilitone der beiden Jura-Studenten, der sich „das alles mal anschauen“ möchte und Nancy (21), deren „Buddy“ Marie gerade zum Praktikum in Berlin ist. Das ist das Problem mit den Studenten-Freunden: Mit Ende des Studiums verschwinden sie einfach, zwischendrin Semesterferien, Auslandsaufenthalte, Praktika in anderen Städten.
Regelmäßig telefonieren und treffen
„Hast du Geschwister?“, will Christian von Stefan zwischen zwei Löffeln Apfelstrudel mit Vanilleeis wissen. Immer wieder lehnt er sich nach rechts, fragt nach, hakt nach. Stefan ist schüchtern, redet lieber mit Florian und Nancy. Die kennt er. Aber er antwortet auch bereitwillig auf Christians Fragen. Legt die Stirn über seiner schwarz-roten Brille in Falten, denkt kurz nach und erzählt ihm dann von seiner großen Schwester Irene. „Ich hab’ einen älteren Bruder“, erzählt ihm Christian.
Schnell wird klar: Stefan und Oskar sind die ruhigen Beobachter. Nancy, Florian, Sören und Christian die Unterhalter. Niederbayerische Ausdrücke und Dörfer sind genauso Thema wie Lieblingsserien im Fernsehen oder die Herrschaft der Frauen, die Nancy gegen einen männlichen Proteststurm vehement verteidigt. „Keine Lust auf Lernen“, beschwert sich Sören, der trotzdem nach dem Treffen noch in die Bibliothek möchte. „Aber du bestimmt auch nicht auf arbeiten, oder?“, fragt er Florian. Der grinst - heute hat er frei.
Nach dem Kaffee drehen die sechs noch eine Runde um die Passauer Ortsspitze, bevor Nancy, Florian und Stefan wieder den Bus zum Wohnheim der Lebenshilfe nehmen. „Es ist gut, dass wir uns am Anfang erst mal alle zusammen treffen“, findet Christian. „Dann kann man miteinander warm werden und etwas aufbauen.“
Regelmäßiges Telefonieren, Treffen mindestens zweimal im Monat - so stellt sich der Verein die Freundschaft der Buddy-Paare vor. Gar nicht so einfach: Nancy, Florian und Stefan haben einen vollen Terminkalender: Fünf Tage die Woche arbeiten sie in der Behindertenwerkstatt Donauhof, am Wochenende stehen Ausflüge, zum Beispiel nach Tschechien, an.
„Wir rufen uns halt zusammen“, beschließt Nancy pragmatisch, als es nach dem Spaziergang am Inn ums nächste Treffen geht, bei dem auch Oskar und Christian auf jeden Fall wieder dabei sein wollen.
Weitere Informationen über den Verein „Best Buddies“ gibt es bei Sören (soeren.raethling@hotmail.com) oder im Internet auf www.bestbuddies.de.