Asenbauer, Petra
Thema: Behinderung, Lebensbewältigung
M1: PNP, 10.04.2013, Nr. 83, S. 20
Behindert? Von wegen
Petra Asenbauer sieht ihr Handicap als Selbstverständlichkeit − Sie ist Motor des Zeughaus-Projekts "stufenlos"
von Elke Zanner
Petra Asenbauer hat Mühe, ein Bein vor das andere zu setzen. Und wenn sie spricht, dann dauert es, bis sie ihre Sätze vollendet. "Das kommt davon, wenn man zu lange braucht. Ich wollte halt nicht raus", sagt Petra Asenbauer selbstironisch, als sie erklärt, woher ihre Behinderung kommt. Ihr Gehirn bekam bei der Geburt zu wenig Sauerstoff, deshalb ist die 25-Jährige Spastikerin.
Für Petra Asenbauer sind diese "cerebralen Störungen" eine völlig normale Sache. Kein Grund, um sauer zu sein auf das Leben oder um deswegen an der Gerechtigkeit der Welt zu zweifeln, obwohl sie doch genau so gut völlig gesund hätte geboren werden können. Kann sie sich ein Leben ohne Behinderung vorstellen? Wieder kommt die Selbstironie: "Das wäre mir doch viel zu einfach, viel zu langweilig", sagt Petra Asenbauer in ihrem kleinen Büro in der Luragogasse 4. Dort arbeitet sie beim Ordinariat.
"Ich kann mich gut selbst verarschen" Ihr Mundwerk ist zwar langsam, aber dafür um so lockerer, der Verstand scharf, ihr Humor bisweilen rabenschwarz. "Ich kann mich gut selbst verarschen", sagt Petra Asenbauer. Und wer sie gut kennt − Kollegen oder Freunde − der darf das auch. Petra Asenbauer haut dann schon den passenden Spruch raus. Diese Schlagfertigkeit ist eine ihrer großen Stärken. Auch wenn ihr Körper nicht so schnell ist, ihr Kopf ist es schon. Deshalb mag sie es auch nicht, wenn sie von anderen "nicht für voll genommen wird".
Als Kind oder Teenager hat es sie verletzt, wenn jemand ihren Gang nachgeäfft hat. Doch im Laufe der Jahre ist ihre Haut dick geworden. "Mittlerweile ist mir das völlig wurscht", sagt Petra Asenbauer. Was sie nach wie vor hasst ist Mitleid. Vor allem ältere Leute glauben, ihr etwas Gutes zu tun, wenn sie sie aus heiterem Himmel streicheln oder ihr in der Fußgängerzone helfen wollen. Petra Asenbauer nervt diese Fürsorge nur. "Es gibt verschiedene Arten von Hilfe", sagt sie. "Aber die brauche ich nicht."
Petra Asenbauer hatte nie ein Problem mit ihrer Behinderung. Zum Problem wurde es für sie immer nur dann, wenn andere eins damit hatten. Und das hatten offenbar viele. Trotz ihrer schier unerschöpflichen Fröhlichkeit und diesem lakonischen Unterton, der im Gespräch mit ihr häufig mitschwingt, tat sich Petra Asenbauer verdammt schwer, Anschluss bei Nichtbehinderten zu finden. "Es gab schon harte Jahre", gibt sie zu. Lange Zeit war sie aus der Gemeinschaft der "Gesunden" praktisch ausgeschlossen. Sie hatte keine Freunde, stattdessen Tage voller Langweile. Aus dieser Tristesse heraus gründete sie vor vier Jahren das Projekt "stufenlos" im Zeughaus. Dabei treffen sich alle zwei Wochen, immer freitags, Jugendliche mit und ohne Behinderung, um ihre Freizeit miteinander zu verbringen. "Das Projekt ist ein Selbstläufer geworden", freut sich Petra Asenbauer über diesen Erfolg. Etwa fünf bis zehn junge Leute mit Handicap kommen im Schnitt zu den Treffen (siehe auch Kasten). Petra Asenbauer ist nun nicht mehr jedes Mal dabei. Das liegt auch daran, dass sie vor einiger Zeit im Internet auf den Musical-Verein in Jägerwirth gestoßen ist, der ihr eine neue Welt eröffnet hat. Bei den Aufführungen steht sie nun mit auf der Bühne, nicht als Solistin, aber als Teil der großen Gruppe. Als am Samstag eine Abordnung der Musical-Gruppe in der Stadtgalerie bei einem Flashmob tanzte, war auch Petra Asenbauer dabei. "Bei den Jägerwirthern gehöre ich jetzt quasi dazu. Da bin ich voll integriert. Für die bin ich normal", sagt Asenbauer. Und: "Ich bin froh, dass das jetzt so ist. " Wenn im Sommer Dorffest in Jägerwirth ist, wird deshalb kein Tag vergehen, an dem Petra Asenbauer nicht hinfährt. Sie mag es, wenn sich was rührt.
Nach Passau kam Petra Asenbauer durch den Besuch der Schule für Körperbehinderte in Grubweg. Dort machte sie vor acht Jahren den Quali, dann beim Ordinariat eine Ausbildung. Seit zwei Jahren hat sie dort einen festen Job als Bürokauffrau. Sie scannt alte Dokumente, Pläne, Akten oder Bücher ein. Das macht ihr "Riesenspaß".
"Ich will einfach möglichst viel erleben" Nach der Arbeit fährt sie heim nach Thiersbach bei Ortenburg, ans "Ende der Welt", wie sie es nennt. Dort wohnt Petra Asenbauer noch immer im Elternhaus, was aber nicht in alle Ewigkeit so bleiben muss. Einen Freund haben, vielleicht sogar mal eine Familie − das alles kann sie sich vorstellen, wenn es sich denn ergibt. Im Moment wartet abends die Katze auf sie. "Nici freut sich, wenn ich komme, die ist voll auf mich fixiert."
Ihren Alltag, auch die Arbeit und die Wege in Passau, bewältigt Petra Asenbauer ohne besondere Hürden. "Gut, ich bin kein Freund von Kopfsteinpflaster", sagt sie. Aber das sind viele andere Frauen, die mit Pfennigabsätzen durch die Altstadt klackern, auch nicht. Als Spastikerin kennt sie ihre körperlichen Grenzen. "Mit meiner Behinderung nehme ich mir garantiert keinen Marathon vor. Das wäre ja Blödsinn. Wer Höhenangst hat, geht ja schließlich auch nicht auf den Baumwipfelpfad." Doch was sie sich zutraut, das zieht sie durch. Vor zwei Jahren hat Petra Asenbauer den Führerschein gemacht, seither fährt sie ein Automatik-Auto mit eingebauter Spezial-Sitzschale. Dieses Auto ist für sie Freiheit, "ich würde es nicht mehr hergeben", sagt sie. Sie geht gerne auf Feste oder mal in die Disko. "Ich komme überall hin, wo ich will". Bald auch nach Rio de Janeiro zum Weltjugendtag im Juli. Das wird ihre nächste große Reise sein. Sie fliegt mit dem Passauer Jugendbüro. Wenn eine entsprechende Begleitung gefunden wird, sind solche Reisen überhaupt kein Problem.
"Ich will möglichst viel erleben", sagt Petra Asenbauer. "Das ist doch schließlich Sinn und Zweck, warum man auf der Welt ist." Handicap hin oder her.
M2: Bild von Petra Asenbauer
M3: Didaktische Impulse
1. Lasst euren Gedanken freien Lauf
- Welche Arten von Behinderungen kennst du? (z.B. geistige Behinderung, Lernbehinderung, Sprachbehinderung)
- Kennt ihr behinderte Menschen? Unterscheiden sie sich von nicht behinderten Menschen? Wodurch?
- Jeder Mensch kann manche Dinge besonders gut und andere nicht so gut! Überlege, was das bei dir ist.
- Denke darüber nach, was es in deinem Leben für schöne Momente gibt.
2. Behinderte Menschen sind in die Gesellschaft meist zu wenig integriert. Dies liegt oft an den baulichen, aber auch an den kommunikativen Barrieren.
- Recherchiert, welche Einrichtungen es für Menschen mit Behinderungen in eurer Gegend gibt. Wählt eine davon aus und beschreibt sie mit allen Aufgaben und Funktionen.
- Welche Möglichkeiten haben erwachsene Menschen mit Behinderung, um sich weiterzubilden?
Beispiele: Behindertenwerkstatt (http://dfw-pa.de/), integrativer Kindergarten/ Schule, Freizeit- und Sportangebote für Menschen mit Behinderung
3. Leben mit Behinderung
Versetze dich in einen Behinderten und berichte über dein Leben mit dem Handicap. Beschreibe außerdem, wie du dir ein "normales" Leben, ein "normales" Miteinander vorstellst.
4. Gedankenblasen erstellen
Notiert in Gedankenblasen all das, was Petra mit ihrer Behinderung nicht mehr machen kann!
- Was bedeutet die Behinderung für sie?
- Stell dir vor, du wärst behindert: Was würde das für dich bedeuten?
- Was könntest du alles nicht mehr machen?
5. Plakat anfertigen
Notiert auf ein Plakat, was Petra Asenbauer mit ihrer Behinderung nicht mehr tun kann (linke Seite) und was für sie das Leben dennoch lebenswert macht (rechte Seite)! Entnehmt dazu Informationen aus dem Text!
6. Eigenes Lebensmotto entwickeln
„Ich will möglichst viel erleben. [...] Das ist doch schließlich Sinn und Zweck, warum man auf der Welt ist“, lautet das Lebensmotto von Petra Asenbauer. Formuliere einen kurzen Satz, der dein Lebensmotto darstellt, und gestalte es kreativ aus!
7. Besuch einer Behinderteneinrichtung und Rollentausch
- Gibt es in deiner Nähe eine Behindertenwerkstatt, eine integrative Schule oder eine Förderschule? Durch den Besuch und den Austausch können bestehende Berührungsängste abgebaut und persönliche Erfahrungen ermöglicht werden.
- Organisiert Rollenspiele, indem sich die Schüler in die Lage von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen hineinversetzen (z. B. blind sein, nicht gehen können).