Aschenbrenner, Lisa
Thema: Ehrenamt, Jugend, Gemeinschaft
M1: PNP, 23.04.2016, Nr. 94, S. 37
Für sich selbst, die Gemeinschaft und Gott
Lisa Aschenbrenner engagiert sich ehrenamtlich bei den Pfadfindern in Fürstenzell - Freude an der Wertevermittlung
von Korbinian Klinghardt
Fürstenzell. Lisa Aschenbrenner hebt ihre rechte Hand, die Handfläche zeigt nach außen. Sie winkelt den kleinen Finger an und legt den Daumen drauf. Zeige-, Mittel- und Ringfinger hält sie dabei aufrecht. "Das ist der Pfadfindergruß", erklärt die 19-Jährige. Es sei gut ihn zu kennen, man müsse ihn jedoch nicht ständig zeigen. Jeder der drei aufrechten Finger steht symbolisch für ein Versprechen – gegenüber sich selbst, der Gemeinschaft und gegenüber Gott. Der auf dem kleinen Finger ruhende Daumen steht dafür, dass der Starke den Schwachen beschützt.
Pfadfinder sein als Lebenseinstellung
Pfadfinder sein ist für Lisa Aschenbrenner, die zurzeit im zweiten Semester soziale Arbeit an der Ostbayerischen Technischen Hochschule in Regensburg studiert, eine Lebenseinstellung. Christliche Werte wie Nächstenliebe und die Erhaltung der Umwelt gelte es zu vertreten. Das hat sie sich und der Gemeinschaft versprochen, als sie Mitte März ein Wochenende mit den Gruppenleitern auf der Selbstversorgerhütte Ederhof bei Triftern verbrachte und ihr Leitertuch erhielt.
"Um die Schöpfung zu wahren, versuche ich wenig Plastik zu verwenden, wenig mit dem Auto zu fahren", erklärt sie. Sich selber versprach Aschenbrenner, dass sie für ihre Meinung eintreten werde. Die Gemeinschaft möchte sie stärken, indem sie dafür sorgt, dass jeder die Chance erhält, ein Teil davon zu sein.
Im Pfarrverband Fürstenzell gibt es die Pfadfinder erst seit Frühjahr 2015. Damals war Aschenbrenner noch Ministrantenleiterin. Gemeinsam mit weiteren im Pfarrverband engagierten Jugendlichen entschloss sie sich, einen Jugendverband zu gründen. Im Angebot der Diözese überzeugten sie die Pfadfinder. "Wir wollten den Kindern etwas bieten, sie zusammenbringen, damit sie sich besser kennen lernen und zusammen etwas erleben können." Heute ist sie Leiterin der Leiterrunde, die aus einem guten Dutzend Ehrenamtlicher besteht. Die Leiterrunde ist für die Planung von Aktivitäten zuständig, zum Beispiel das Zeltlager, das heuer wieder gemeinsam mit den Ministranten stattfindet. Gruppenstunden für die Pfadfinder werden seit September vergangenen Jahres angeboten. Aktuell umfasst ihre "Siedlung", so werden neugegründete, angehende Pfadfinderstämme in den ersten zwei Jahren bezeichnet, etwa 75 Mitglieder. Ihre Rangfolge ist klar definiert und hängt vom Alter ab. Die neun- bis elfjährigen gehören zu den Wölflingen. Dann folgen die Jugendpfadfinder, auch "Jupfis" genannt, die Pfadfinder ("Pfadis") und schließlich die Rover.
Wer welcher Stufe angehört ist äußerlich leicht zu erkennen. Bei offiziellen Anlässen, Pfadfindertreffen oder Gottesdiensten tragen die Leiter graue, gebundene Tücher um den Hals, die Farbe der Rover hingegen ist Rot. Pfadis tragen Grün, Jupfis Blau und die Jüngsten Orange. Typisch für die Pfadfinder ist außerdem die von allen getragene olivfarbene "Kluft". Die Idee dahinter sei, dass alle gleich sind, keiner besser oder schlechter ausgestattet sein soll, erklärt die 19-Jährige. Großen Wert legt sie darauf, dass der Stoff dafür aus fairem Handel stammt – der Umweltschutz liegt den Pfadfindern nämlich sehr am Herzen. Doch noch haben nicht alle Mitglieder ihre "Kluft" – sie müsse erst noch bestellt werden. Im Zeltlager sollen die Kinder sie dann endlich erhalten, sagt die Gruppenleiterin.
Was motiviert Aschenbrenner, sich neben dem Studium in ihrem Heimatort für die Jugendlichen einzusetzen? Es sind die Erfahrung der Gemeinschaft und die Freude an der Wertevermittlung, die die Fürstenzellerin antreiben. Bei den Pfadfindern gehe es darum, dass die Mitglieder Vertrauen in sich selbst finden, ihr Selbstbewusstsein stärken, so Aschenbrenner. Bei der "Erziehung" der Kinder folgen die Leiter der Stufenpädagogik. Je nach Altersklasse wird den Kindern ein anderes Freizeitprogramm angeboten. So sollen sie zu selbstständigen und mündigen Menschen erzogen werden.
Auch der Aspekt der Demokratie spielt eine wichtige Rolle. Die Pfadfinder lernen von Beginn an, Entscheidungen in der Gruppe zu treffen, zum Beispiel bei den Zeltlagern. Dort werden Kleingruppen gebildet, von denen jede durch einen Sprecher im Sprecherrat vertreten ist, erklärt Aschenbrenner. Sie dürfen dann zum Beispiel bestimmen, was es zum Mittagessen gibt und was gespielt werden soll. Auch die Strukturen der Siedlung folgen demokratischen Prinzipien. Einmal im Jahr findet eine Vollversammlung mit allen Mitgliedern statt, bei der die Leiter gewählt werden.
Demokratische Werte werden vermittelt
Getauft zu sein ist übrigens kein Aufnahmekriterium, stellt Aschenbrenner klar. Auch Konfessionslose oder Anhänger anderer Religionen können sich bei den Pfadfindern beteiligen. Der Glaube sei zwar etwas, das die Pfadfinder verbinde, doch wem das überflüssig erscheint, der muss nicht an Gottesdiensten teilnehmen. "Die Kirche an sich ist mir nicht so wichtig", sagt Aschenbrenner und stellt klar: "Es ist wichtiger, Nächstenliebe zu leben als in der Kirche nur davon zu hören."
M2: Fotos von Lisa Aschenbrenner
M3: Didaktische Impulse
1. Unterhalte dich mit mindestens zwei deiner Klassenkameraden und schildert euch gegenseitig, wie und wo ihr eure Freizeit gerne verbringt. Benennt auch je nachdem Gründe, warum ihr (k)einen Teil eurer Freizeit in einer Gruppierung verbringt!
2. Die Pfandfinder drücken mit ihrem speziellen Gruß ein Versprechen "gegenüber sich selbst, der Gemeinschaft und gegenüber Gott" aus. Reflektiere, ob du auch selbst Versprechungen an dich, an andere Menschen oder an das, woran du glaubst, hast. Gibt es Gründe, warum du (keine) Versprechen hast?
3. Hinter Versprechungen stecken bestimmte Werthaltungen, sowohl auf Seite des "Gebens" als auch des "Nehmens". Diskutiere zusammen mit deinem Banknachbarn, welche Werte in Versprechen einfließen können (Hinweis: Es gibt nicht ausschließlich positiv besetzte Werte) und erstellt gemeinsam eine "Werte-Raute": In die obere Hälfte kommen positive Werthaltungen hinein, in die untere negative oder Werte, die bei solchen Versprechungen schnell verloren gehen können (etwa wenn das Versprechen gebrochen wird).
4. Nun dürft ihr euch in vier annähernd gleich großen Gruppen zusammenfinden und euch in einem Schreibgespräch zum Thema "Wenn ein Versprechen nicht eingehalten wird - Ursachen und Wirkung" positionieren. Bezieht euch dabei auf beide Seiten (der, der ein Versprechen gibt und der, dem eins gegeben wird) und erarbeitet zum Abschluss auch Lösungsvorschläge, was man tun kann, wenn man ein Versprechen nicht eingehalten hat und einen Mitmenschen damit verletzt oder verärgert hat bzw. wie man das Risiko im Vorfeld mindern kann, dass man kein Versprechen bricht!
5. "Ver-sprechen" und "Versprechen" klingen sehr ähnlich. Überlege dir, inwieweit sich die eine Wortbedeutung mir der anderen decken kann. Finde eine andere, recht ähnlich klingende Wörterverbindung, die ein "Versprechen" in ein anderes Licht rückt! (Lösung: "fair sprechen")