Ackermann,Lea
Thema: Hilfsbereitschaft, Nächstenhilfe
M1: PNP, 16.04.2012, Nr. 88, S.8
Ein Herz wie eine Löwin
Solwodi-Gründerin Lea Ackermann kommt zum Katholischen Frauenbund − "Die Not der Frauen und Kinder sehen"
Von Stefan Rammer
Passau. Sie ist eine vielfach geehrte Frau, Trägerin höchster staatlicher Orden, des Romano-Guardini-Preises oder "Frau Europas". Am meisten freut sie sich aber über den Johanna-Löwenherz-Preis. Denn die katholische Ordensfrau hat damit einen nach einer Jüdin und Kommunistin benannten Preis bekommen. Und schließlich hat Lea Ackermann den Löwen im Namen und ohnehin das Herz einer Löwin. Gerade 75 Jahre alt geworden, blickt die Schwester der Missionsordensgemeinschaft "Unserer Lieben Frau von Afrika" (weiße Schwestern), in die sie 1960 nach einer durchtanzten Nacht als junge 23-jährige Frau eingetreten ist, zurück auf Jahrzehnte mutigen Einsatzes, des Kampfes für in Not geratene Mädchen und Frauen – überall in der Welt.
1985, nachdem ihr Orden sie an die afrikanische Ostküste geschickt hatte und sie erschüttert war vom Schicksal der dortigen Frauen, rief sie die Organisation "Solwodi" ins Leben. Der Name steht für "Solidarity with Women in Distress" – Solidarität mit Frauen in Not. Was in einer kleinen Baracke in Afrika begann, ist heute ein international etabliertes Hilfswerk. Lea Ackermann, mittlerweile wieder in der Heimat, kümmert sich auch in Deutschland um 15 Solwodi-Beratungsstellen (seit 2003 auch in Passau). Menschenhandel, Zwangsprostitution und Zwangsheirat sind auch hierzulande an der Tagesordnung.
Am 20. April kommt sie ins Kurgästehaus Kellberg (Lkr. Passau) zur Diözesanversammlung des Katholischen Frauenbundes. Sie spricht über das Thema "Heute für morgen Zeichen setzen. Mit Mut und Solidarität in die Zukunft!" Sie freut sich auf den Besuch in Niederbayern, denn sie wird wieder berichten können, von ihren Erfahrungen, und sie wird sagen, wie wichtig es ist, dass Frauen Verantwortung in der Gesellschaft wahrnehmen.
Sex, Bier und Würstchen für 8,90 Euro. "Wir dürfen nicht zu allem Ja und Amen sagen. Wir müssen die Not vieler Frauen und Kinder sehen, die heute wie Ware behandelt werden. Wir müssen Unpopuläres ansprechen." Lea Ackermann erzählt von Hannover, wo es nicht nur Flatrate-Bordelle und -hotels gibt, wo es auch Angebote gibt für eine Frau, ein Bier und ein Würstchen, und das alles für 8,90 Euro. "100 Freier standen in der Schlange an, drei Rumäninnen mussten ihnen zu Diensten sein", erzählt sie. Die Wut ist kontrolliert, aber konstant vorhanden, denn das sei "moderner Sklavenhandel", dessen Legitimierung man nicht hinnehmen dürfe.
Sie weiß, wenn sie nach Passau kommt, welche Verhältnisse jenseits der bayerisch-böhmischen Grenze herrschen. Neben den afrikanischen und asiatischen Ländern steht auch Osteuropa im Fokus ihres Kampfes gegen Frauenhandel. Auch dort wird die Ware Frau angeboten. "Auch dazu müssen wir uns äußern", betont sie. "Ich kann zwar nicht die ganze Welt ändern, aber da, wo Leute sind, die ähnlich denken wie ich, kann ich was bewegen." Ihre Kraft scheint trotz ihrer 75 Jahre ungebrochen. Der Glaube stärkt sie und das Gefühl, "etwas Sinnvolles zu machen". "Gott ist doch die Liebe, heißt es, und es gibt Menschen, die nie Liebe erfahren haben. Gott hat keine anderen Hände als die unseren."
Die 1937 als Tochter eines Bauunternehmers geborene Ackermann war Bankkauffrau, als sie ins Kloster ging. Sie studierte dann Theologie und Pädagogik und promovierte. Sie ist eine geradlinige, selbstbewusste und kluge Frau, auch eine streitbare. Und dass sie das Herz am rechten Fleck hat, beweist sie auch innerkirchlich, wenn es um die Rolle der Frau in der katholischen Kirche geht. Da scheut sie nicht vor von der Lehrmeinung abweichenden Positionen zurück. Sie setzt sich für das Diakonat der Frauen und für deren Weihe ein. "In einer Welt, in der die Menschen so viele Schwierigkeiten haben, können wir es uns gar nicht erlauben, die Frauen nicht ernst zu nehmen."
Kritische Einstellung zum Zölibat. Zum Thema Zölibat hat sie eine klare Meinung. "Wer an die Berufung zum Zölibat glaubt, der kann in einen Orden gehen. Ein junger Mensch, der Priester wird, will aber nicht das Zölibat, das ihm aber aufgezwungen wird. Das sollte nicht sein." Ein Festhalten an einer von Jesus nie gewollten Haltung nennt sie "verkehrt". Und dass in der Ökumene auf offizieller Ebene nichts weitergeht – "anders als an der Basis" – ärgert sie auch. Sie sei mit einer robusten Gesundheit gesegnet, sagt sie. Deshalb kämpft sie weiter. Trotz aller Schwierigkeiten. Sie weiß: "Angst ist ein schlechter Ratgeber."
Aktuelles Buch von Lea Ackermann: "In Freiheit leben, das war lange nur ein Traum. Mutige Frauen erzählen von ihrer Flucht aus Gewalt und moderner Sklaverei", Kösel-Verlag 17,99 Euro.