Alt, Jörg
Thema: Nachhaltigkeit, Radikalität, Schöpfung
M1: „Natürlich bin ich gegen das System“: Jesuit Jörg Alt protestiert durch öffentlichen Widerstand und zivilen Ungehorsam.
Er geht containern und klebt sich an Straßen fest: Jörg Alt ist der erste deutsche Priester, der radikalen Protest äußert und offen sagt: „Natürlich bin ich gegen das System“. Pater Jörg Alt – der neben Theologie auch Soziologie und Philosophie studiert hat und, nachdem er 1981 in den Jesuitenorden eingetreten ist, im Jahr 1993 zum Priester geweiht wurde – macht durch seine provakante und unkonventionelle Art vor allem in letzter Zeit lautstark durch Widerstand und zivilen Ungehorsam auf sich aufmerksam. In einer Zeit mit vielfältigen Krisen ist für den Jesuiten Jörg Alt klar, dass es „um das Überleben weiter Teile der Menschheit und unserer Zivilisation“ geht. Er fordert Veränderung im Bereich der Wirtschaft, aber auch hinsichtlich unseres Zusammenlebens, um der Klimakrise und dem Artensterben entgegenzuwirken. Gerade beim Klimawandel handelt es sich um eine zwar wissenschaftlich gewiss vorhergesagte zukünftige Bedrohung, die aber in ihren Ausmaßen noch nicht wirklich wahrnehmbar ist. Deshalb verschwindet diese Problematik oft hinter akuten Krisen wie der Corona-Pandemie oder dem Krieg in der Ukraine. Wie fatal das ist, zeigt sich jedoch leider erst, wenn es für Änderungen viel zu spät ist.
Deshalb müssen laut Jörg Alt Politik und Gesellschaft JETZT wachgerüttelt werden.
Doch wie gelingt das, wenn klassische Methoden wie Petitionen, Diskussionen oder Demonstrationen nicht mehr genügen? Dann ist es, wie Jörg Alt findet, an der Zeit für zivilen Ungehorsam und Widerstand, denn diese beiden „sind immer schon an entscheidenden historischen Wegmarken der Gesellschaft zum Einsatz gekommen“. Dabei geht es Jörg Alt mit seinen provokanten Aktionen um „eine Methode, dringliche Themen auf die Agenda von Politik und Gesellschaft zu heben.“ Zwei Bereiche stehen dabei im Fokus:
Einerseits geht es um Lebensmittel, andererseits um Fortbewegung.
Jörg Alt sieht in der „Überproduktion, Verschwendung und Vernichtung“ von Lebensmitteln einen „Skandal angesichts steigender Versorgungsengpässe, Hungers und Teuerung sowie einen Beitrag zu Artensterben, der Übernutzung und Verschmutzung natürlicher Ressourcen und dem Klimawandel“. Darum macht der Jesuit auf diese besorgniserregenden Umstände aufmerksam, indem er verbotenerweise „containert“ (d. h., er begibt sich in die Abfallcontainer von Supermärkten und nimmt noch essbare Lebensmittel mit), sich daraufhin selbst anzeigt und somit für mediale Aufmerksamkeit sorgt. Hinsichtlich der Fortbewegung geht es dem Jesuiten bei seinen Protesten vor allem um eine Verkehrswende: So auch bei der Aktion gegen ein „Weiter-So“ am 16.08.2022, bei der sich Aktivist:innen vor dem Nürnberger Hauptbahnhof auf der Straße festgeklebt hatten, den Verkehr für Stunden blockierten und somit auf die Klimakrise aufmerksam machten. Für Jörg Alt handeln Gesellschaft und Politik, als gäbe es gar keine Klimakatastrophe: Trotz der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, die vor allem seit dem Ukrainekrieg deutlich geworden ist, komme es nicht zu einem Kurswechsel hin zu regenerativen Energien. Stattdessen würden fossile Brennstoffe „einfach bei anderen Autokraten gekauft, Fracking wird auf einmal salonfähig und auch andere Maßnahmen stärken das fossile Weiter-So wie etwa das Dienstwagen- oder Dieselprivileg, Tankrabatt oder fortgesetzte Subventionen fossiler Energien.“ Zugleich würden jene, die gegen dieses Verhalten protestieren, kriminalisiert, schikaniert, verspottet oder sogar bedroht. Deshalb protestiert Jörg Alt gemeinsam mit anderen Klimaschutzaktivist:innen gegen eine solche ignorante „Weiter-So“ Haltung. Bei einer weiteren Aktion am 01.09.2022 ging es darum, auf das Auslaufen des 9-€-Tickets aufmerksam zu machen, das „nach Auffassung von Experten und Verbänden, der Bevölkerung und sogar Verkehrsminister Wissing (FDP) ein sozialer und ökologischer Erfolg war“. Mit einer Stunde „Schwarzfahren“ wollte Jörg Alt darauf aufmerksam machen, dass „die Lösung für unsere sozialen und ökologischen Probleme im Öffentlichen Personennahverkehr, nicht im motorisierten Individualverkehr“ liegt. Generell weiß Jörg Alt, „dass er sich als Priester und Aktivist in einer schwierigen Doppelrolle befindet, er sieht sich als Außenseiter“ – so heißt es in einem Artikel über den Jesuiten in der Süddeutschen Zeitung. Gleichzeitig weist der Jesuit auf folgendes hin: „Aber habe nicht auch Jesus gegen die Autoritäten rebelliert, als er die Geldwechsler aus dem Jerusalemer Tempel vertrieb, Tische umstieß und Münzen verstreute?“ und meint, „wer heute ein Außenseiter, gar Verbrecher ist, kann morgen schon ein Heiliger und Vorbild sein!“ Letztendlich handelt Jörg Alt nach tiefster Überzeugung seines christlichen Glaubens und blickt optimistisch in die Zukunft, wie er in seinem Glaubensbekenntnis verrät: „Gott ist meiner Erfahrung nach Herr der Geschichte. Er schafft permanent Gelegenheiten und es steht in der Freiheit des Menschen, sie erkennen und ergreifen zu wollen – und dann mit Gottes Hilfe Dinge zu erreichen, die sonst nicht möglich wären. Insofern bin ich auch davon überzeugt: Alles wird gut. Irgendwann.“
Alle Infos und Zitate: siehe https://www.sueddeutsche.de/bayern/nuernberg-joerg-alt-jesuit-protest-klimakrise-1.5645859?reduced=true, https://www.jesuiten.org/personen/joerg-alt-sj, https://www.joergalt.de/ziviler-ungehorsam/verkehrswende.html, https://www.joergalt.de/zur-person.html (Zuletzt aufgerufen am 14.09.2022).
M2: Didaktische Impulse
1. Arbeitet aus dem Text heraus, auf welche Weise Jörg Alt sich für den Klimaschutz einsetzt. Findet dabei Merkmale, die den Jesuiten besonders machen, und markiert prägnante Zitate.
2. Das sog. „Containern“ ist in Deutschland gesetzlich verboten. Recherchiert, was genau unter dem Begriff zu verstehen ist und mit welchem Strafmaß das Vergehen hierzulande geahndet wird. Gibt es im Vergleich zu Deutschland andere gesetzliche Regelungen in weiteren Ländern der EU?
3. Sich auf eine Straße mit Sekundenkleber festkleben, um gegen die aktuelle Verkehrspolitik und für eine klimafreundliche Verkehrswende zu protestieren: Beschreibt die Aktion aus der Sicht der unmittelbar davon Betroffenen und der Folgen für sie! Diskutiert diese Form eines zivilen Ungehorsams!
4. Diskutiert: Gesetzestreue vs. Widerstand – auf welche Seite stellst du dich? Findet gemeinsam in eurer Gruppe überzeugende Argumente.
5. Lest die Bibelstelle zur Tempelreinigung Jesu (Matthäus 21,12ff; Markus 11,15ff; Lukas 19,45ff; Johannes 2,13-16 ). Bezieht im Anschluss die Aussage des Jesuiten „Wer heute ein Außenseiter, gar Verbrecher ist, kann morgen schon ein Heiliger und Vorbild sein!“ einerseits auf Jesus Christus und andererseits auf das Verhalten von Jörg Alt.
6. Papst Franziskus meint auf Twitter: „Wir müssen der Wegwerfmentalität ein Ende setzen, wir, die wir den Herrn um das tägliche Brot bitten. Die Verschwendung der Lebensmittel ist mit schuld am Hunger und am Klimawandel.“ Was meint Papst Franziskus mit dieser Aussage und inwiefern trifft sie zu?
7. Klimaschutz konkret: Erstellt eine Ideensammlung, was ihr selber zum Schutz des Klimas beitragen könnt. Findet heraus, wie ihr euch in eurem persönlichen Alltag klimafreundlich fortbewegen und nachhaltig ernähren könnt.