Die Menschenkette von Eisenstein
Die Texte und das Video zum Thema "Die Menschenkette von Eisenstein" entstanden im Rahmen des deutsch-tschechischen multimedialen Blockseminars "Multimediales Storytelling. Denkmäler zur Grenzöffnung zwischen Bayern und Böhmen 1989/90", an dem vom 22.03. bis 26.03.2021 Studierende der Universität Passau und der Westböhmischen Universität in Pilsen teilgenommen haben. Die Materialien wurden von Elisabeth Huber, Lenka Tranová, Magdalena Rodler und Maximilian Richter erarbeitet.
Teaser
Eine Region wird erneut gespalten. Aufgrund der Corona-Pandemie wurden weltweit Grenzen geschlossen. Was wie ein großer Rückschlag erscheinen mag, war aber Normalität vor gerade einmal 30 Jahren. Während der Zeit des Eisernen Vorhangs waren der Westen und Osten Europas durch eine strenge Grenze getrennt. Nach dem Ende des Kommunistischen Regimes wurde diese neu gewonnene Freiheit durch zahlreiche symbolische Handlungen gefeiert, wie beispielsweise die Menschenkette in Bayerisch Eisenstein / Železná Ruda.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und während des Kalten Krieges war Europa gespalten. Der Osten war sozialistisch geprägt und wurde vom demokratischen Westen durch den sogenannten Eisernen Vorhang getrennt. Er zog sich durch ganz Europa von der Barentssee bis hin zum Schwarzen Meer. Auch die 356km lange Grenze zwischen Bayern und Tschechien war Teil dieser historischen Spaltung. Dieser Bereich wurde besonders gut bewacht und war ausgestattet mit Minenfeldern, elektrischen Zäunen und strengen Grenzkontrollen, um die Bevölkerung davon fernzuhalten. Diese Grenze zu überqueren war also sehr schwierig, gefährlich und sogar unmöglich.
Durch den Sturz der Kommunistischen Regime in Europa im Jahr 1989 wurde schließlich auch der Eiserne Vorhang geöffnet. Durch die Öffnung der Tschechoslowakischen Grenze konnten so viele Bürger zurück in ihre Heimat reisen. Allein im ersten Jahr nach der Grenzöffnung überquerten 63.000 Menschen die bayerisch-tschechische Grenze.
In der Grenzregion Waidhaus-Rozvadov wurde am 23. Dezember der Eiserne Vorhang symbolisch durch die Minister Hans-Dietrich Genscher und Jiří Dienstbier geöffnet. Bis zum Mai 1990 wurden fast alle Grenz-Straßensperren entfernt und später sogar die Grenzkontrollen zwischen West- und Osteuropa entfernt. Um die Erinnerung an die Zeit wach zu halten, wurden zahlreiche Denkmäler errichtet.
Als die Tschechische Republik schließlich Teil der EU wurde, waren Bayern und Tschechien endlich wieder unter einem gemeinsamen Dach vereint.
Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs im November 1989 entstand im Dezember in der Region Bayerisch Eisenstein / Železná Ruda die Idee, eine Menschenkette über die Grenze hinweg zu bilden.
Durch die jahrelange Abgrenzung aufgrund der geschlossenen Grenze war man in der einst geeinten Region nun besonders motiviert, diese Verbundenheit, diese besondere Nachbarschaft wieder herzustellen. Daher setzte sich das Bürgerforum Železná Ruda, besonders Herr Ivan Kalina, dafür ein, diese neu gewonnene Freiheit gebührend und binational mit Hilfe einer Menschenkette zu feiern.
Nachdem einige Hürden, wie die Aufhebung der Visapflicht, für diese Veranstaltung beseitigt werden konnten, konnte die Menschenkette schließlich am 3. Februar 1990 stattfinden. Ursprünglich war eine etwa 5.000 Mann starke Kette geplant gewesen, die eine Strecke von 5 km von der Kirche in Bayerisch Eisenstein bis zu der Kirche in Železná Ruda umfassen sollte. Womit jedoch niemand gerechnet hatte, war das riesige Ausmaß an Besuchern. Nach ungefähr 50.000 Menschen wurde mit dem Zählen aufgehört, man schätzte jedoch, dass in etwa 70.000 Menschen anwesend waren, um die Verbundenheit der beiden Länder zu feiern. Dies war für viele ein sehr emotionaler Tag, da es für sie der erste Tag nach dem zweiten Weltkrieg war, an dem sie die Möglichkeit hatten, die Grenze ohne Beschränkungen zu überqueren.
© Norman Vaclavik
Bayerisch Eisenstein liegt inmitten des Nationalparks Bayerischer Wald an der Grenze zum Böhmerwald. Durch zahlreiche Freizeitaktivitäten, zum Beispiel zahlreiche Wandermöglichkeiten wie den Großen Arber, ist die Region besonders bei Urlaubern beliebt.
Den Namen „Eisenstein“ erlangte das Dorf durch den regen Bergbau und Abbau von Eisenerz in dieser Region.
Am nennenswertesten bezüglich Eisenstein ist jedoch wohl dessen Position direkt neben der tschechischen Grenze als bayerisches Gegenstück zu Železná Ruda. Der grenzüberschreitende Bahnverkehr dieser beiden Ortschaften wurde durch den Eisernen Vorhang unterbrochen und konnte erst im Jahr 1991 wieder aufgenommen werden.
Die Menschenkette von 1990 war jedoch nicht die einzige Veranstaltung, die die Nachbarschaft der Regionen feierte. Auch im Jahr 2020 wird diese Verbundenheit noch immer aufrecht erhalten durch Aktionen wie die „Samstage für Nachbarschaft“. Hierbei treffen sich Menschen von beiden Seiten der Grenze, um gemeinsam Spiele zu spielen, zu singen oder um sich symbolisch die Hand über der Grenze zu reichen. Diese Menschen zweifeln natürlich nicht an der Gefahr von Corona, sie versuchen jedoch eine wichtige Botschaft zu senden: Corona soll uns nicht trennen. Sie entflammen damit einen kleinen Schimmer Hoffnung und ein Gefühl von Gemeinschaft, während sie die nötigen Sicherheitsmaßnahmen einhalten.
Das erste Treffen auf bayerisch-böhmischem Boden wurde am 16. März 2020 gehalten. Hierbei Menschen der beiden Orte Asch(Aš) und Selb aufeinander, die in der Vergangenheit bereits Nachbarn waren. Durch Aktionen wie diese soll gezeigt werden, dass es auch in schwierigen Zeiten wichtig ist, die Verbindung und Beziehung über die Grenze hinweg aufrecht zu erhalten.
Elisabeth Huber
Lenka Tranová
Magdalena Rodler
Maximilian Richter
https://www.bayerisch-eisenstein.de/index.php
„Ich war ein naiver Träumer“, PNP 3.2.2010
https://www.begegnungsraum-geschichte.uni-passau.de/unterrichtsmaterialien/eiserner-vorhang
https://www.begegnungsraum-geschichte.uni-passau.de/unterrichtsmaterialien/leben-entlang-der-grenze/
https://www.pametnaroda.cz/cs/magazin/stalo-se/ceskoslovensko-se-zbavilo-zelezne-opony