Tomas Kuhn (TK) und Urs Kramer (UK) als Experten einer fachspezifischen Hochschuldidaktik über Motivation, Mehrwert und die Besonderheit eines eigenen Lehrinstituts:
Sie sind weit über die Grenzen der UP hinaus anerkannte Experten im Bereich „Juristische Didaktik“. Was dürfen Ihre Teilnehmenden in Ihren Seminaren erwarten?
TK: Sie dürfen Seminarleiter erwarten, die von der juristischen Lehre vollkommen begeistert sind und die sich für die Probleme, die die Studierenden mit diesem Fach haben, wirklich interessieren. Das bedeutet zugleich, dass auch unser Interesse für eine auf diese Situation abgestimmte Didaktik sehr hoch ist.
UK: Ich kann nur noch ergänzen, dass wir trotz einiger Erfahrung immer noch an „Input“, neuen Ideen und Ansätzen interessiert sind, sowie dazu animieren, Neues auszuprobieren. So lernen wir selbst noch sehr viel bei unseren Seminaren.
Ihrer Erfahrung nach: was ist das, was die juristische Didaktik so speziell macht?
TK: Der besondere Reiz der Didaktik im Jurastudium liegt für mich darin, dass es einerseits ungemein schwierig ist, in einem juristischen Fall auch nur einen Großteil der enthaltenen Probleme zu erkennen und argumentativ zu bewältigen, und andererseits auch für die schwächsten Studierenden selten ein Problem darstellt, die Lösung eines Falles in all seinen Einzelheiten zu verstehen. Die Fragen, die man sich stellen muss, und die Argumente, die man finden muss, sind dabei fast durchgängig von sehr grundlegender Art und somit besonders interessant (und ihr Übersehen besonders frappierend). Die Komplexität entsteht aus ihrem Zusammenspiel. Mit Auswendiglernen hat das erfreulich wenig zu tun – umso mehr Spaß macht es, in diesem Studienfach zu unterrichten.
UK: Hinzu kommt noch, die Herkules-Aufgabe, wie man den riesigen „Stoff-Berg“, den man im Examen auf einen Punkt „draufhaben“ muss, in verdauliche Portionen teilt. Hier stellt sich das Konzept des „beispielhaften Lernens“ mit der Möglichkeit, durch das Herstellen von Querbezügen und durch das Abstrahieren von Argumenten den Lernstoff in dramatischer Weise zu reduzieren, als besonders lohnend dar. Das in der Lehre „rüberzubringen“, ist eine besondere Herausforderung, aber auch ein besonderer Reiz.
Woher kommt Ihre Motivation, sich mit dem Thema „Juristische Didaktik“ zu beschäftigen?
UK: Ich hatte, ehrlich gesagt, während des Studiums nicht „auf dem Schirm“, in die Lehre zu gehen. Ich bin durch verschiedene Zufälle nach dem Studium und Referendariat an der Universität geblieben und wurde dann unerwartet und ohne Vorbereitung in das kalte Wasser geworfen. Das Unterrichten – auch das Ausprobieren neuer Ideen und Formate – hat mir dann aber so viel Freude gemacht, dass ich es schließlich zum Beruf und zur Berufung gemacht habe.
TK: Für mich war Unterrichten immer schon etwas sehr Erfüllendes. Das hat eigentlich schon im Alter von dreizehn Jahren mit Nachhilfestunden angefangen.
Was würden Sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs auf alle Fälle mit auf den Weg geben, wenn dieser sich weiter mit diesem Thema beschäftigen möchte?
UK: Bewahren Sie die Neugier, Ihre Lehre immer wieder neu auf Ihre Lernenden anzupassen, Neues auszuprobieren und Altbekanntes zu hinterfragen.
TK: Beobachten Sie genau die Schwierigkeiten, die Jurastudierende bei der Lösung von Fällen haben und stellen Sie sich permanent die Frage, wie Sie im Unterricht dazu beitragen können, diese Schwierigkeiten zu reduzieren.
Welche Vorzüge sehen Sie in einer Lehrprofessur?
TK: Wir brauchen uns nicht dafür rechtfertigen, wenn ein Großteil unserer Energie in die Lehre fließt, die uns zudem noch besonders am Herzen liegt. Ich sehe auch überhaupt kein Problem einer zu geringen Wissenschaftlichkeit: Von den Studierenden kommen so schlaue Beiträge, dass im Unterricht zum Teil Fragen behandelt werden, zu denen in der wissenschaftlichen Literatur noch gar nichts zu finden ist.
UK: Volle Zustimmung! Wenn einem die Lehre besonders am Herzen liegt und Freude macht, ist das die Traumstelle! Und für die Wissenschaft, die – im Humboldtschen Sinne – natürlich die eigene Lehre speist, bleibt immer noch genug Raum – zumal, wenn man sich dort gerade auch mit der Rechtsdidaktik, also der „Wissenschaft vom guten Jura-Lehren“, befasst!
Das Institut für Rechtsdidaktik ist eine der Besonderheiten der Juristischen Fakultät der Universität Passau. Welche Vorzüge sehen Sie durch ein solches Lehrinstitut?
TK: Wir können uns fächerübergreifend mit Fragen der juristischen Lehre befassen. Insbesondere der Examensvorbereitung tut ein über alle Fächer hinweg abgestimmtes Angebot sehr gut. Und in den Seminaren für LEHRE+ werden wir beide immer wieder mit der Frage konfrontiert, inwieweit es Gemeinsamkeiten in der Didaktik des Öffentlichen Rechts und des Zivilrechts gibt und inwieweit die didaktischen Herausforderungen andererseits fachspezifische sind.
UK: Außerdem bietet ein solches Institut den nötigen Raum und Rahmen, um sich mit diesen Fragen sozusagen „im Paket“ zu beschäftigen – sei es etwa durch aufeinander abgestimmte Angebote neben dem Examenskurs wie die Probeexamina, das Einzelcoaching, die Klausurenwerkstatt, besondere Kurse für Studierende, die bereits einmal im Examen gescheitert sind, usw. So können aber auch fachübergreifende Tagungen und Projekte sowie Veröffentlichungen zu Fragen der Rechtsdidaktik leichter angeboten und realisiert sowie eben auch Kurse im Rahmen von LEHRE+ für angehende und schon erfahrene Lehrende angeboten werden.
Wir DANKEN den Professoren Kramer und Kuhn für dieses aufschlussreiche Interview sowie für Ihre engagierte hochschuldidaktische Weiterbildungstätigkeit bei LEHRE+ .