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NGO-Kampagnen als Risiko für multinationale Unternehmen

Wenn Billigproduktion zum teuren Imageschaden führt: Ökonominnen und Ökonomen der Universität Passau entwerfen in einem DFG-Projekt theoretische Modelle, die das Risiko internationaler NGO-Kampagnen berücksichtigen und testen diese mit Hilfe neuester Daten. Die Frage, wie Unternehmen mit der Gefahr von Protestaktionen entlang ihrer internationalen Wertschöpfungsketten umgehen, ist in der Volkswirtschaftslehre noch kaum untersucht.

| Lesedauer: 3 Min.

Auf einer Demonstration wird ein Megafon benutzt

Als prominentes Beispiel nennt Prof. Dr. Sebastian Krautheim, Inhaber des Lehrstuhls für International Economics an der Universität Passau, die Anti-Sweatshop-Kampagne gegen den Sportartikel-Hersteller Nike im Jahr 1998: „Das war einer der ersten Fälle, in denen ein großer Konzern mit der Strategie scheiterte, Verantwortung für die Handlungen unabhängiger Zulieferer in seiner internationalen Wertschöpfungskette pauschal von sich zu weisen.“ Die internationalen Boykott-Aufrufe verschiedener Nichtregierungsorganisationen (NGOs) gegen die Arbeitsbedingungen bei Nikes indonesischen Zulieferbetrieben führten zu großen Einbrüchen: Der Börsenwert sank um 20 Prozent, der Jahresgewinn um 49 Prozent.

Dieses Risiko tragen multinationale Konzerne, wenn sie ihre Produktion in Länder mit geringer staatlicher Regulierung verlagern. Ein Forschungsteam der Universität Passau um Prof. Dr. Krautheim entwickelt in dem DFG-Projekt „Die globale Produktion und ihre Aufpasser: Firmen und NGOs im regulatorischen Vakuum“ theoretische Modelle, die neben Handelsströmen auch die Aktionen international tätiger NGOs abbilden können. Die Vorhersagen der Modelle testet das Team mit Hilfe neuester Daten zu internationaler NGO-Aktivität.

„Die Frage, wie Unternehmen mit der Gefahr von Protestaktionen entlang ihrer internationalen Wertschöpfungsketten umgehen, ist in der Volkswirtschaftslehre noch kaum untersucht“, sagt Prof. Dr. Krautheim. Forschung dazu gebe es in angrenzenden Disziplinen, etwa in der Politikwissenschaft oder in der Soziologie. Allerdings nicht mit den Werkzeugen und den Fragestellungen der VWL, die formalisierte mathematische Modelle und darauf basierende ökonometrische Analyse großer Datensätze nutzt.

Diese Lücke wollen Krautheim und sein Team schließen. Beteiligt am Projekt ist ein Team der Paris School of Economics, das auf eine Datenbank des Beratungsunternehmens SIGWATCH zugreifen kann. Die Firma analysiert NGO-Aktivitäten und berät andere Unternehmen zum Risiko von Kampagnen. Aktuell umfasst die Datenbank Kampagnen gegen 12855 Unternehmen in 182 Ländern innerhalb eines Zeitraums von neun Jahren. 

Anhand dieses Datensatzes untersucht das Team um Prof. Dr. Krautheim folgende Fragen:

  • Wie organisieren Firmen ihre internationale Produktion, wenn sie durch Flucht vor Regulierung zwar Kosten sparen, aber Ziel von NGO-Kampagnen werden könnten?
  • In welchen Ländern erfolgen NGO-Aktionen gegen Entscheidungen von international tätigen Firmen und lassen sich daraus geographische Muster ableiten?

Die Ökonominnen und Ökonomen interessieren sich besonders für Wechselwirkungen bei drei beteiligten Ländern: Das Land, in dem das jeweilige Unternehmen seinen Sitz hat, das Land, in dem die NGO ihren Sitz hat, sowie das Land, in dem in dem der Auslöser für die Kampagne liegt.

„In Vorarbeiten konnten wir zeigen, dass diejenigen Variablen, die die internationalen Ströme von Gütern und Dienstleistungen beeinflussen, auch die geographischen Muster der NGO-Kampagnen bestimmen“, sagt Prof. Dr. Krautheim. „Ausgangspunkt unserer Analyse ist die Hypothese, dass Firmen durch die Internationalisierung ihrer Wertschöpfungsketten auch eine Internationalisierung von NGO-Aktivitäten induzieren. Wie das passiert und welche Konsequenzen das für Handelsströme und internationale Wertschöpfungsketten hat, wollen wir besser verstehen.“ 

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Projekt über einen Zeitraum von drei Jahren. 

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